No! (Start: 7.3.2013)

No!Aerobic-Häschen gegen Pinochet

»No!« von Pablo Larrain

 

1988 lässt General Augusto Pinochet auf internationalen Druck ein Referendum über die Fortführung seiner Präsidentschaft zu. Der chilenische Diktator, der sich 1973 in einem Militärstreich gegen den Sozialisten Salvador Allende an die Macht putschte, wähnt sich nach zwei gewonnenen Referenden sicher im Sattel. Tatsächlich erfährt er, gestützt von den mit eiserner Hand kontrollierten Medien und einem Wirtschaftsboom, viel Zuspruch. Niemand glaubt, dass das neue Referendum scheitert – noch nicht einmal die Opposition selbst.

So ist die Ausgangslage, als René Saavedra, das Wunderkind einer Werbeagentur, von einem Oppositionellen kontaktiert wird. René soll die No!-Kampagne, der täglich ein viertelstündiger TV-Spot zu nachtschlafender Zeit zugestanden wird, orchestrieren. Renés Vater war zwar im Widerstand, doch der stille junge Mann scheint politisch indifferent – und geht seinen Auftrag absolut professionell an. So bekommt er nicht nur Ärger mit Geheimpolizisten, die seinen kleinen Sohn bedrohen. Sein beruflicher Pragmatismus stößt auch manchem seiner Polit-Kunden übel auf.

Der Chilene Pablo Larraín schließt mit seinem oscarnominierten Film nach »Fuga« und »Tony Manero« seine Trilogie über Chile während der Pinochet-Diktatur ab. Seine Chronik der Neinsager-Kampagne entwickelt sich zu einem vielschichtigen Politdrama, in dem durch die distanzierte Perspektive des Werbers der ideologische Gezeitenwandel der späten Achtziger deutlich wird. René stellt dem Oppositionsbündnis die Gretchenfrage: was genau wollt ihr erreichen? Und bekommt Antworten wie »Chile von Grund auf ändern« und »Bewusstsein für die Verbrechen der Diktatur wecken«. Nur von Sieg redet keiner. René weiß aber, dass Filme über Gräuel, Verschwundene und Folter die Wähler abschrecken, »das verkauft sich nicht«. Stattdessen plädiert er dafür, »etwas Angenehmes« zu zeigen, und dreht Spots im Stil von Cola-Werbung: mit Jingle, Aerobic-Häschen, und unbeschwerten Witzeleien. Das Gehopse ist für manchen, der unter der Diktatur gelitten hat, zuviel, »ethische Grenzen« werden beschworen, der »Genosse« René wird streng zur Ordnung gerufen. »Mierda! Mierda!« schimpft Renés entfremdete Ehefrau, eine Politaktivistin. Zart deutet der Film die Kluft zwischen »dem Volk« wie z.B. Renés Hausmädchen, das Pinochet wählen will, »weil es mir gut geht und mein Sohn studieren kann«, und den Oppositionellen, mit denen viele die sozialistische Mangelwirtschaft unter Allende verbinden, an. Dass die Spots, die vor allem ein anderes Lebensgefühl propagieren, Erfolg haben, wird spätestens dann offensichtlich, als die »Ja«-Leute ihre Kampagne ändern – weg von den quasistalinistischen Militärparaden, hin zu mehr Lockerheit. Doch wer zu spät kommt …

Schon durch seinen Look – gedreht wurde mit analogen Umatic-Kameras der 80er – imitiert der Film das Zeitkolorit. Auch René – Gael Garcia Bernal in seiner bisher besten Rolle – surft mit seinem Skateboard buchstäblich über die Vergangenheit hinweg. Er bleibt bis zum Schluss eine enigmatische Figur, zugleich stiller Held und Mitläufer, der, wie Bernal sagt, »das neoliberale System, das die Diktatur eingeführt hat, für die eigenen Zwecke genutzt« und die chilenische Rechte »sowohl links als auch rechts überholt hat, indem die Kampagne an den Optimismus und an das Glücksversprechen appellierte«. Eine aufregende Geschichtslektion.

Birgit Roschy
NO! (i No!)
von Pablo Larraín,
Chil/F/USA 2012, 118 Min.
mit Gael García Bernal, Alfredo Castro, Antonia Zegers, Néstor Cantillana,
Drama
Start: 07.03.2013

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