Staatstheater Darmstadt serviert »Abschiedsdinner«

Wohin mit der Suppenterrine?

Sehr sympathisch klingt die Idee nicht, sich der Kontakte, die einem nicht mehr viel nutzen, zu entledigen, selbst wenn das möglichst elegant geschehen soll. Aber es passt als Form der Beziehungsoptimierung bestens zum ökonomisierten modernen Leben. Die wohlsituierten und kinderlosen Lecoeurs (!) sind  fasziniert, als sie erfahren, wie da ein Bekannter alte Freunde feierlich zu einem Essen einlädt, das sich für diese dann als ›le grand adieu‹ entpuppt. Sie, Pierre und Clotilde, rechnen sich nämlich aus, wieviel wertvolle Zeit sie gewinnen können, und deuten für das erste Tschö mit Ö die Roceurs, Pierres Kumpel Antoine und dessen Bea, aus.   
Es ist ein abendfüllendes Vorhaben, wie die französische Komödie »Un diner d‘adieu« zeigt, die nun am Staatstheater Darmstadt unter dem deutschenglisch eher komischen Titel »Das Abschiedsdinner«. läuft. Das Stück stammt von Matthieu Delaporte und Alexandre de la Patellière, die hierzulande durch die Verfilmung ihres Stücks »Der Vorname« bekannt wurden. Im Stile von Yasmina Reza, nur viel mehr auf Pointen und Gags aus, deckt das Gespann bei den uns sehr vertraut wirkenden Figuren des städtischen Bildungsbürgertums unter der Oberfläche der Konvention die schwärzesten Abgründe auf.  
Natürlich läuft »Das Abschiedsdinner« mit den Roceurs aus dem Ruder, doch nicht nur, weil der völlig überdrehte Antoine ohne Bea kommt und Pierre mit der Bitte überrascht, Pate des Kindes zu werden, das diese erwarte. Als Antoine merkt, dass Pierre das alte T-Shirt trägt, das er ihm vor Jahren geschenkt hat, und zu seiner indischen Lieblingsmusik und seinem Lieblingsessen Wein aus seinem Geburtsjahr serviert, bricht die Fassade ein. Schließlich hat auch Antoine schon gehört, wie man solche Dinner arrangiert. Keine Frage, dass er auf der Stelle geht – aber auch gleich wieder mit einer letzten Bitte zurückkommt. Mehr sagen wir hier nicht.
Wolf Gutjahr (Bühne) hat die Spielfläche mit Stühlen und Stehlampen übersät und durch die Namen, mit denen sie beschriftet sind, in einen pittoresken Beziehungsfriedhof mit Petersburger Legung verwandelt. Es ist ein unwirtlicher Ort, an dem man sich zwar jederzeit hinsetzen, aber kaum gehen und rein gar nichts abstellen kann, was die Spieler zur Chaplineske nötigt, beim Verzehren des ersten Gangs wie selbstverständlich die heiße Suppenterrine zu balancieren.
Bei den Figuren gelingt die Balance nicht immer so gut. Aber das hat die sich der bloßen Konversation sperrende Regie von Caro Thom wohl auch bezweckt. Christian Bornmüllers Antoine ist tatsächlich so gewöhnungsbedürftig, dass man es Pierre, dessen stetes Ringen mit dem schlechten Gewissen Jonas Gruber spüren lässt, kaum verdenken mag, das Nervenbündel loszuwerden. Maria Radomski dagegen, die als Clotilde die berechnende Teufelsaustreiberin gibt, besticht mit bösem Humor, wenn sie etwa den Aids-Tod des schwulen Künstlers, von dem Antoine erzählt, als »runde Sache« goutiert. Leider wird Clotilde im doch arg konstruierten Ablauf etwas ins Abseits gerückt von den Autoren. Dass sich der Zuschauer näher an das Geschehen wünscht, liegt nicht nur daran, dass das Kleine Haus etwas zu groß ist für dieses Kammerspiel, sondern auch an der mitreißenden Inszenierung.  

gt (Foto: © Rolf K. Wegst)
Termine: 14., 21. Januar, jeweils 19.30 Uhr
www.staatstheater-darmstadt.de

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