Das Frankfurter Senckenberg lässt die Fossile rocken

»Wenn’s nicht rockt, dann ist es für’n Arsch«. Charlotte Roche sollte ihre Freude haben an der schrägsten aller Ausstellungen, die je im Frankfurter Senckenberg Museum stattfanden, wo es, davon seien Sie felsenfest überzeugt, rockiger nicht zugehen könnte. »Rock meets Rock« steht in der Unterzeile zur großen Schau »Rock Fossils«. Wie bitte, was? Gezeigt werden 14 Präparate von längst ausgestorbenen Lebewesen, die ihre Entdecker, Paläontologen mit Metalhead, nach ihren Idolen benannt haben. Lateinisch, versteht sich, wie es sich nach den Regeln der Systema Naturae des alten Carl von Linné (1707–78) gehört, dafür aber für die Ewigkeit. Warum? Weil sie es können! Das Schöne an der Schau, die im Parterre des Haupthauses zu sehen ist: Die steinklopfenden Forschungs-Nerds haben sich bei der Namensgebung einiges gedacht.
So steht Mick Jagger Pate für eine ausgestorbene Flusspferdart (Jaggermeryx naida) mit markanter wulstiger Oberlippe. Gottvater Lemmy Kilmister von Motorhead findet an dem hässlichsten aller Ringelwürmer Kalloprion Kilmisteri sogar seine Warze wieder. Und Metallica ist von der in metallreichen Meerestiefen noch immer lebenden Assel Macrostylis metallicola bestens repräsentiert. Zusammen mit dem Entdecker dieses Krebses, dem Senckenbergianer Torben Riehl, unterstützt die Band sogar eine Kampagne, die den mit unabsehbaren Folgen für die Flora und Fauna verbundenen Abbau von Rohstoffen in der Tiefsee bekämpft. Kurzum, wir haben es mit Kennern in jeder Hinsicht zu tun, die selbstverständlich auch die mano cornuta, im Metalldeutsch: die Pommesgabel, passend einzusetzen wissen.
Mick Jagger, so sollte man hinzufügen, ist mit Frank Zappa zwar meistgedropt im Artenreich – schon 1972 wurden zwei Schneckenarten auf die beiden getauft – musikalisch hier aber eher ein Ausreißer ins Softe. Neben dem Sex Pistol Sid Vicoius, dem Black Sabbat-Sänger Dio, taucht auch der Bad Religion-Gründer Greg Graffin auf, gelernter Evolutionsbiologe. Seinen Namen tragen die Protagonisten eines der schönsten, wenn auch martialischsten Präparate: zwei gruselige Zahnvögel im Kampf. King Diamond und Velicously sind und bleiben dem Chronisten nicht so bekannt. Ganz im Gegensatz zu Tankard. Die Frankfurter Alk-Metaller sind im Namen des Schlangensterns »Ophiura tankardi« verewigt, der – wer da nicht an anderes denkt – bei »geothermischen Spülbohrungen« in Sedimenten bei Nierstein gefunden wurde und vor rund 30 Millionen Jahre seine beste Zeit hatte.
Die großartigen Präparate, auch eine Kunst, sind überwiegend in Vitrinen auf Reise- und Lautsprecherboxen ausgestellt und von Stellwänden umsäumt, auf denen neben Info-Basics, Bilder, Plattencover und Kopfhörer mit den passenden musikalischen Prügeln warten. Eine Sonderrolle spielt David Bowie nicht nur seiner Musik wegen auch hier. Die in Südostasien lebende Spinne Heteropoda davidbowie toppte live schon vor vier Jahren eine Spinnenschau im Senckenberg. Auf passendem Vinyl mit rothaarigem Ziggy Stardust-Schopf krabbelnd gibt die Hausbewohnerin auch als Präparat nur ein Gastspiel, während alle anderen auf dieser Never Ending Tour weiter nach Dänemark ziehen. Das schon 2013 gestartete Projekt macht standesgemäß auch auf Rockfestivals Station und war schon in Wacker und Dotternhausen. Wie bestimmt auch Charlotte Roche.

Lorenz Gatt (Foto: © Senckenberg/Traenkner)

Bis 4. September: Mo., Di., Do., Fr., 9–17 Uhr; Mi., 9–20 Uhr; Sa., So., 9–18 Uhr
www.museumfrankfurt.senckenberg.de

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