Das Weltkulturen Museum dokumentiert das fünfjährige Bestehen von Sea-Watch

Die Ausstellung »SW5Y – Fünf Jahre zivile Seenotrettung« im Weltkulturen Museum dokumentiert die Geschichte eines nicht enden wollenden Skandals. Dieser beginnt damit, dass es überhaupt privater Initiativen bedarf, Menschen in den Gewässern vor den Grenzen Europas vor dem schieren Ertrinken zu retten, und setzt sich darin fort, dass die Arbeit dieser Initiativen von staatlicher Seite unter willentlicher Inkaufnahme des Todes von aberhunderten Menschen zunehmend erschwert, blockiert und kriminalisiert wird.
Aktuelles Beispiel (9. Juni) ist der gezielte Erlass einer »Sportbootverordnung« durch CSU-Bundesverkehrsministers Andreas Scheuer, der mit Sicherheitsauflagen nichtstaatliche Rettungs- und Beobachtungsdienste praktisch unmöglich macht. Ein Erlass, der sich nahtlos in die »Chronik der Schande« fügt, die als Zeitleiste im Treppenhaus des Museums die sich über zwei Stockwerke erstreckende Schau verbindet. Für die mit Schautafeln und historischen Daten fixierten Stufen der Eskalation sollte man sich viel Zeit nehmen.
In der von der Initiative Sea-Watch und dem Museum gemeinsam kuratierten Ausstellung über die »tödlichste Grenze der Welt« geben rund 120 Fotografien, Kurzfilme sowie Illustrationen Einblicke in die Geschichte der Arbeit von Sea-Watch, die sich anfänglich in Kooperation mit internationalen Küstenwachen auf das Verteilen von Schwimmwesten und Hilfsdienste wie das Melden von Notfällen beschränkte. Über 35.000 Menschen seien mit Hilfe von Sea-Watch in den vergangenen fünf Jahren gerettet worden, nahezu 20.000 Menschen seien in diesem Zeitraum ertrunken, nicht eingerechnet die Schicksale derer, die die Europäische Union mit enormem Geldeinsatz den libyschen Milizen überlässt.
Ergänzt wird die so beeindruckende wie bedrückende Darstellung im Obergeschoss durch künstlerische Positionen. In seinem Tagebuch hat der Aktivist Adrian Pourviseh während eines von den italienischen Behörden erzwungenen Aufenthalts des Bootes vor der sizilianischen Stadt Licata seine Mitpassagiere in filigranen Zeichnungen und Texten porträtiert. Mit einer Wandinstallation wird der 750 Opfer der sogenannten »Il Barcone«-Katastrophe von 2015 mit fiktiven individuellen Todesanzeigen gedacht. In einer vielbeachteten Aktion hatte die italienische Regierung Matteo Renzi den vor der lybischen Küste völlig überladen gekenterten Fischkutter heben lassen, um seine Opfer in einer Zeremonie beizusetzen. Das Wrack war vor einem Jahr vielbeachtetes Exponat der Biennale von Venedig.

Lorenz Gatt / Foto: © Fabian Melber/Seawatch

Bis 30. August: Di.–So., 11–18 Uhr; Mi., 11–20 Uhr
www.weltkulturenmuseum.de

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