Der Tango und das Leben nach dem Tod

Diana Garcia Simon: Gestrandete Dichtung. Politik und Humor im argentinischen Tango

Mit der in Argentinien geborenen Literaturwissenschaftlerin, Übersetzerin und Illustratorin Diana Garcia Simon hat Frankfurt eine veritable Tango-Kennerin, wie sie jetzt wieder mit ihrem Buch »Gestrandete Dichtung« beweist. Ihr Text versteht sich als eine erste Annäherung. Er unternimmt es, den Tango aus neuen Blickwinkeln zu lesen, die Texte und nicht nur die Musik wahrzunehmen. Ermuntert fühlt Diana Garcia Simon sich dabei etwa durch Jorge Luis Borges und Ernesto Sábato. Die Tangotexte liest sie wie Gedichte des Barock oder der Avantgarde, räumt dabei mit manch altem Vorurteil auf. Etwa dem, dass der Tango ultrakonservativ oder humorlos sei. Sie spürt Quellen auf, zieht Verbindungslinien zu Vergil oder Petrarca, aber auch zu den französischen Symbolisten.
Der Tango glaubt nicht an ein Leben nach dem Tod, er erzählt vom Scheitern der Einwanderer. Seine Traurigkeit ist erblich. Ja, ein Mann, der ohne Gewalt begehrt, sei kein richtiger Mann, meint der Tango. Aber dieser Mann, so zeigt es Diana Garcia Simon, weint doch. Und es gibt den Tango auch aus der Feder von Frauen. Der Tango ist ein Kompendium von Exil-Geschichten, die Autorin begreift ihn »als Suche nach Festland zwischen zwei Kontinenten«. Eine anregende Lektüre, das Vorgängerbuch »Ich hab´ kein Heimatland. Jüdische Spuren im argentinischen Tango« (2021) auf Beste ergänzend.

Alf Mayer
Diana Garcia Simon: Gestrandete Dichtung. Politik und Humor im argentinischen Tango. Abrazos Verlag, Stuttgart 2022. 152 S., Klappenbroschur, 15 €.

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