Diese verdammten Bananen – Mario Vargas Llosa: Harte Zeiten

Geschichtlich ist Mittelamerika eine gescheiterte Konföderation aus den sechs Kleinstaaten Guatemala, El Salvador, Honduras, Nicaragua, Costa Rica und Panama. Seit hundert Jahren ungefähr sind sie ein nahezu ausweglos erscheinendes politisches Dilemma, auf das die USA mehr als nur ihren übermächtigen Schatten werfen. Seit hundert Jahren degradieren die Regierungen der Vereinigten Staaten diese Länder zu ihrem Hinterhof, in den sie nach Belieben einmarschieren, Bürgerkriege entfesseln, Diktatoren und Militärregimes vor ihren Gnaden einsetzen können, sobald ihre wirtschaftlichen Interessen bedroht sind. Und sie würdigen diese Länder zu ihren »Bananenrepubliken« herab. In Mittelamerika wurde dieser elende, demütigende Begriff geprägt, und diese verdammten Bananen auf diesen verdammten Plantagen bestimmen die Schicksale der Länder bis zum heutigen Tag. Es gibt Ausnahmen, aber eben auch ein System.

Der Grandseigneur der lateinamerikanischen Literatur, der unvergleichliche und hoffentlich unsterbliche Mario Vargas Llosa hat nun erneut ein Schlaglicht auf die politischen Verhältnisse Mittelamerikas geworfen. Literatur in Lateinamerika ist meist politisch, es geht gar nicht anders, das will auch keiner der Autor*innen anders. In seinem Roman »Harte Zeiten« hat Vargas Llosa die unsagbare Geschichte der United Fruit Company, heute Chiquita, in Guatemala recherchiert, und abgesehen von der untadeligen literarischen Qualität, die ihn ja eh auszeichnet, ist ihm ein so aufregendes fesselndes Buch gelungen, dass man sich wünscht, diese lateinamerikanische Tradition des politischen Romans möge nie und nimmer versiegen.
Denn auf die denkbar eleganteste Art wird der Leser Zeuge eines unvorstellbaren Prozesses: wie die USA, um ihre Bananenplantagen in Guatemala vor der geplanten Agrarreform der guatemaltekischen Regierung unter dem Präsidenten Jacobo Árbenz Guzmán zu schützen, Politikermorde begehen lässt, um die Bildung von Gewerkschaften zu verhindern, Tausende in Folterkeller schicken lässt, und gleichzeitig die brasilianische Sängerin Carmen Miranda im Obstkostüm und »Chiquita Banana« trällernd aufs Zelluloid bannt – so erfolgreich, dass die Lady 1945 die bestbezahlte Frau in den USA ist. Und die Banane, in Guatemala unter so unvorstellbaren Bedingungen gepflanzt und geerntet, zur Lieblingsfrucht im Norden des Kontinents wird.
Mario Vargas Llosa hat dazu die politische Reportage und Quasi-Dokumentation verzahnt mit einer multiperspektivischen Erzählform, die nicht linear fortschreitet. So werden die Geschehnisse gewissermaßen umzingelt, was das Lesen so spannend macht. Eine zusätzliche Attraktion erhält der Roman durch den hartnäckigen Versuch des Peruaners, eine der schillerndsten noch lebenden Figuren dieser guatemaltekischen Tragödie vor das Mikrophon zu bekommen – und es ist ihm gelungen. Miss Guatemala (die nie Miss Guatemala war), Marta Borrero de Parra, rechtsradikale Geliebte des Präsidentenmörders von Carlos Castillo Armas, dessen Geliebte sie ebenfalls war, vermutliche Informantin des CIA, heute in Langley lebend, (wo auch die CIA Zentrale liegt) gewährt Mario Vargas Llosa ein wahrlich enigmatisches Interview – was ihm einmal mehr die Gelegenheit gibt zu zeigen, was für ein außerordentlicher Journalist er auch noch ist.
Was soll man noch sagen: eine unverzichtbare Lektüre aus der Feder des peruanischen Autors, der mit einer Weitsicht und Schonungslosigkeit politische Systeme entlarvt, dass es eine reine Freude ist – und ein einziger Schrecken zugleich.

Susanne Asal

Mario Vargas Llosa: »Harte Zeiten«
aus dem Spanischen von Thomas Brovot, Suhrkamp Verlag, 411 S., 24

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