»Don Carlos« in der Version der Dramatischen Bühne

Völlig klar: Hier wird es eine Entführung geben, aber keine folgenreiche. Es wird eine Entführung in die Welt der Geschichten sein, diesmal ist es die vom unglücklichen spanischen Königssohn Don Carlos, dem sein Vater Philipp II. die Braut, Elisabeth von Valois, ausgespannt hat. Das ist zwar ziemlich blöd, aber war im 16. Jahrhundert und ist nun schon eine Weile her, und führt zu der Frage: Warum hat uns das noch zu interessieren, wir haben mit den heutigen Royals ja schon ziemlich viele Geschichten am Laufen, siehe Großbritannien und gerne auch Spanien!
Aber es interessiert die Dramatische Bühne ja schon! Das Stück »Don Carlos« (1787) stammt aus der Feder von Friedrich Schiller und ist zwei Jahrhunderte jünger als das tatsächlich Geschehene. Schiller hat vor allem eines interessiert: »Sire, gewähren Sie Gedankenfreiheit«, ist wohl der berühmteste Satz aus seinem Stück, zu Papier geworfen am Vorabend der Französischen Revolution. Gut also jetzt genug der Historie, schauen wir uns einmal an, was die Dramatische Bühne daraus gemacht hat. Aus der Tragödie eine Komödie, so wird es versprochen!
Aufgrund von Corona stehen nur zwei Darsteller auf der Bühne, Thorsten Morawietz und Christoph Maasch, und sie tun es hingebungsvoll in allen Hauptrollen. Das sind derer vier: Don Carlos, sein Vater Philipp II., Elisabeth von Valois und der Marquis de Posa. Zur einleitenden Kirchenmusik und Fackelgeflacker schlüpfen sie in die Kostüme, die Nebenrollen großzügig weglassend, und fügen sogar noch eine hinzu, die des Dieners Benedetto, sodass »Don Carlos« auch ein bisschen so aussieht wie Goldonis »Diener zweier Herren« (1746), von den Kostümen mit den putzigen Pumphosen und den schicken Strumpfhosen ganz zu schweigen! Also eher Commedia dell‘arte als steifes spanisches Hofzeremoniell mit diesen schrecklichen Riesenkrausenkragen, und genauso spielen es die beiden auch routiniert im fliegenden Rollenwechsel und stets frontal zum Publikum herunter.
Das Bühnenbild ist einfach, aber trotzdem, auf die Idee muss man auch erst einmal kommen. An den Rückwänden sind drei große Barock-Spiegelrahmen angebracht, in denen dann die beiden in unterschiedlichen Rollen(-Kostümen) als Filmeinspielung zu sehen sind, jeweils nur als klassisches – und in dem Fall sprechendes – Porträt. Da können dann schon mal alle fünfe auf einmal zu sehen sein! Gereimt wird, was das Zeug hält, und vor allem Diener Benedetto hat da seine großen Momente, geht’s bei ihm doch nicht so sehr um die hehre Revolution, die Marquis de Posa und Prinz Carlos in den Niederlanden anzetteln wollen, sondern um die Kohle, ganz nach dem Brechtschen Motto: Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral. »Geld gibt uns Würde, Geld gibt uns Recht, ohne Geld sind wir nur Knecht«, wird da munter drauflos gereimt. Knechte bleiben Knechte, auch in der Revolution.
Der mächtige, schreckliche König Philipp II. indes trauert seiner Jugend hinterher und Don Carlos der Unmöglichkeit, unter einem solchen Vater sein ewiges Sohn-Sein abzustreifen. Das alles ist munter erzählt und nach knapp 90 Minuten auch schon vorbei. Mutig ausgeblendet sind alle aktuellen Bezüge, Schillerschen Tiefgänge, und so weiter und so fort. Die verwickelten Handlungsstränge sind ganz einfach aufgedröselt und flach gezogen. Geht doch!

Susanne Asal (Foto: © Uwe Dettmar)

www.diedramatischebuehne.de

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