exground vom 11. bis 22. November in Wiesbaden

Dem großen Nachbarn Spanien hat sich im letzten Monat die Frankfurter Buchmesse gewidmet. Portugal, das Land im äußersten Westen Europas, wird hingegen bei dem wichtigen Wiesbadener Festival des Indie-Films der Schwerpunkt sein. Versucht wird, das Land, seine Gesellschaft und seine Geschichte anhand der dortigen Filmproduktion darzustellen. Zehn Spiel- und Dokumentarfilme sowie 14 Kurzfilme handeln von sozialer Ungleichheit, Auswanderung, Arbeitslosigkeit, Freundschaft und Verliebtsein und – heutzutage unverzichtbar – vom Infragestellen von Normen und Regeln.
Im Eröffnungsfilm »Irrlicht« (2022) verlieben sich zwei Feuerwehrmänner ineinander. In João Pedro Rodrigues’ leidenschaftlichem Musical wird heftig getanzt und geküsst, und die nackten Kollegen stellen in aufreizenden Posen Gemälde berühmter Maler nach.
Mit »Alma via« (2022), dem Langfilmdebüt der Regisseurin Cristèle Alves Meira, hat das Filmfest sogar den portugiesische Beitrag für die kommende Oscar-Verleihung ins Programm aufnehmen können. Der Film erzählt von der jungen Salomé und ihrer Großmutter, die ihre Enkelin Sommer für Sommer in den nördlichen Bergregionen Portugals mit spirituellen Beschwörungsformen vertraut macht.
In »Jack’s Ride« (2021) muss der vom Ausland nach Portugal zurückgekehrte Joaquim dem Arbeitsamt belegen, dass ihn niemand mehr einstellen wird. Bei seinen Streifzügen durch das sonnendurchflutete Lissabon schwelgt er in Erinnerungen an seine Zeit als Taxi- und Limousinenfahrer in New York.
Teresa Villaverde, der eine Retrospektive gewidmet ist, könnte man hierzulande kennen durch die Zusammenarbeit mit Elfi Mikesch, die bei Villaverdes erster Regiearbeit »Am Ende einer Kindheit« (1991) die Kamera geführt hat. Der Film handelt von einer Familie, die in den späten 60er Jahren durch den Kolonialkrieg zerrissen und schließlich zerstört wird. Ihr »Os mutantes – Kinder der Nacht« (1998) zeigt in intensiven Szenen rebellierende Heranwachsende, die sich als Außenseiter fühlen und dagegen rebellieren. Mit vier Langfilmen und einem Kurzfilm bietet die Hommage einen Überblick über dreißig Jahre künstlerischen Schaffens der Regisseurin.
Passend zu Villaverdes Retrospektive präsentiert das Festival in der Reihe »Absent Parents« fünf Kurzfilme, die sich mit mental oder physisch abwesenden Eltern und der Reaktion ihrer Kinder darauf befassen. Eine zweite Kurzfilmrolle besteht aus Experimentalfilmen von Frauen, die in ihren Werken neue Ausdrucksformen und Erzählweisen ausprobieren und sich an einem Konglomerat aus Animationen, Soundcollagen und Farbfragmenten versuchen.
Ergänzend zum Filmangebot begleitet ein Rahmenprogramm den Länderfocus. In der Podiumsdiskussion »Portuguese Cinema« diskutieren Filmschaffende und Festivalverantwortliche über aktuelle Entwicklungen im portugiesischen Kino, Trends und die Möglichkeiten von interdisziplinären Arbeitsweisen. Gemeinsam mit Amnesty International wird die aktuelle politische Situation in der ehemaligen Kolonie Angola nach den Wahlen im August 2022 erörtert.
Die italienisch-schweizerische Co-Produktion »A Girl Returned« (L’arminuta, 2021) von Giuseppe Bonito eröffnet das Jugendfilmfestival »exground youth days«. Die Romanadaption erzählt von einem adoptierten 13-jährigen Mädchen, das gegen seinen Willen zurück zur leiblichen, jedoch fremd gewordenen Familie geschickt wird.
Die Filme werden in der CaligariFilmbühne, im Murnau Filmtheater, in der Krypta der Marktkirche und in Wiederholungen im Darmstädter Rex, im Pupille-Kino in der Frankfurter Universität sowie im Kino des Deutschen Filminstituts & Filmmuseums gezeigt, im Anschluss an das Festival auch im Internet.

cw / Foto: »A Girl Returned«, © Exground Filmfest
Das vollständige Programm gibt es unter www.exground.com.

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