Fritz Rémond: »Arthur und Claire« mit einer Vollbremsung auf der Zielgeraden des Lebens

Jeden Tag einen Joint und das Leben ist dein Freund. Das ist das – etwas abgewandelte – alte Hippiemotto, unter dem der todgeweihte Lehrer Arthur – er hat Lungenkrebs – nach einer wundersamen Begegnung mit einer Frau, die seine Tochter sein könnte, die letzte Etappe seines Lebens begeht. Und gut ist.
Irgendwie passend im Anschluss an die Musikrevue »Himmlische Zeiten« findet auch das neueste Stück im Fritz Rémond Theater auf der Zielgerade des Lebens statt. Ist es denn eine Komödie? Nicht wirklich. Aber es ist auch keine Tragödie, nicht mal ein Drama: »Arthur und Claire« ist ein Lust-Spiel im buchstäblichen Sinn, das von zwei Menschen handelt, die aus unterschiedlichen Gründen ihres Lebens überdrüssig sind und zu Beginn der Handlung dabei sind, mit diesem Schluss zu machen. Von Nulpen gewissermaßen – in Amsterdam.
Denn wir sind in einem feinen Hotel der Grachten- und Kifferstadt, die auch noch zu ihrem Recht kommt, und sehen einen in helles Blau getauchten zweigeteilten Raum, in dessen Mitte wir uns eine Trennwand denken müssen: Es sind zwei identische Hotelzimmer mit großen französischem Bett; links von uns agiert irgendwie penibel-pedantisch ein älterer Mann (ideal besetzt mit Robert Schneider), der uns aus seinem letzten Brief an seinen Sohn David verrät, dass er sich am nächsten Tag in einer Klinik eine tödliche Injektion verabreichen lässt; im rechten Zimmer versucht sich eine weit jüngere, verzweifelt wirkende Frau (Cynthia Thurat als Claire) weit weniger professionell mit Multitasking am Suizid. Mit Strick, Tabletten, einem Messer und einem laut aufgedrehten Song von den Doors nimmt ihr Schicksal den von uns erwarteten Lauf. Das wird nix, denn völlig empört über den Lärm seiner Nachbarin stürzt Arthur über den imaginären Flur hin zu deren Tür. Und, wie es halt mal so passiert im gedichteten Leben, kommt man erst Mal ins Reden in solch einem Fall und im weiteren Fortlauf der Szenen einander näher und näher und noch näher. Ach ja, sie, Claire; hat Mann und Kind bei einem von ihr als Fahrerin verursachten Autounfall verloren und ist Fan von Jim Morrison, der sich auch umgebracht hat.
Ein gewagtes, weil sehr konstruiertes Spiel, das der Autor Stefan Vögel da mit einer doch pseudophilosophisch anmutenden lebensfrohen Botschaft ersonnen hat, weil es in diesem wie aus dem Nichts explodierenden Liebeslebensspiel über die so gegensätzlichen Charaktere hinaus auch noch einen beträchtlichen Altersunterschied plausibel zu überbrücken gilt. Was uns zu dem bereits erwähnten Joint führt, zu dem Cynthia Thurats als hochsympathischer, aber leider akzentfreier Wencke-Myhre-Typ präsentierte Claire, den pedantischen Biedermann bekehrt. Wir staunen und wir wundern uns, verstehen nicht alles, aber wir mögen sie und nehmen es den beiden famosen Schauspielern deshalb gerne ab. Verraten wir zu viel, wenn wir noch darauf hinweisen, dass die letzte Szene des Stücks Cynthia und den Söhnen Arthurs gehört? Dem Adressaten des Abschiedsbriefs David (Thomas Zimmer) und einem noch Namenlosen im Babykorb?
PS: Was dem Schreiber nicht bewusst war: Es gibt auch eine sehenswerte Verfilmung mit Josef Hader und Hannah Hoekstra.

Winnie Geipert / Foto: © Helmut Seuffert

Bis 26. Juni, Di.–Sa., 20 Uhr; So., 18 Uhr
www.fritzremond.de

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