»Green Book« von Peter Farrelly

Dass die Green Card Ausländer berechtigt, in den Vereinigten Staaten zu arbeiten, dürfte allgemein bekannt sein. Doch was, bitte, ist das Green Book? Das »Negro Motorist Green Book« ist bzw. war ein Reiseführer durch die US-amerikanischen Südstaaten mit Diners, Bars und Hotels, in denen Schwarze nicht zurückgewiesen wurden. Ein unentbehrliches Utensil für jeden Afroamerikaner, der vor nicht allzu langer Zeit im amerikanischen Apartheid-Gebiet unterwegs war.

Um der dortigen Upperclass zu beweisen, dass es nicht nur unter den Weißen gebildete und begabte Personen gibt, verlässt der bekannte Pianist Dr. Don Shirley, im Film dargestellt von Mahershala Ali, 1962 seine New Yorker Luxuswohnung und begibt sich auf eine Konzert-Tournee durch die Südstaaten. Ein robuster weißer Begleiter soll ihn chauffieren und in Notfällen beschützen. Das hat sich tatsächlich so (oder so ähnlich) zugetragen.
In einer langen, wunderschön im Stil von »Cotton Club« gefilmten Exposition wird der Italoamerikaner Tony »The Lip« Vallelonga (Viggo Mortensen) vorgestellt. Tony verdient den Lebensunterhalt für seine Familie mit Gelegenheitsjobs, beispielsweise als Türsteher in einem Nachtclub. Eine seiner Aufgaben ist es, Gäste, die sich prügeln unsanft vor die Tür zu setzen. Tony ist also ein robuster Mann und zudem ein ausgemachter Rassist. Das Wasserglas, aus dem ein Schwarzer getrunken hat, landet bei ihm nicht in der Spüle, sondern im Mülleimer. Kopfschüttelnd holt es seine sympathische Frau Dolores (Linda Cardellini) wieder heraus.
Als Familienvater leidet Tony permanent unter Geldmangel und ist deshalb für einen lukrativen Job zu haben. Er staunt allerdings nicht schlecht, als ihn ein vornehmer, ziemlich arroganter Farbiger anheuern will. Als weißer Underdog zeigt er seinen Stolz, lehnt erst einmal ab und nimmt dann wegen des Geldes an.
Auf der gemeinsamen Fahrt wird er den kultivierten Pianisten mit seinen ungehobelten Manieren gründlich nerven. Das sind exzellente Vorlagen für Viggo Mortensen und Mahershala Ali , die zu beobachten, wenn sie sich gegenseitig die Bälle zuspielen, großes Vergnügen bereitet.
Doch im Grunde sind beide Außenseiter, freilich auf höchst unterschiedlichen Ebenen. Don würde lieber klassische Musik spielen, aber seine Plattenfirma hält einen farbigen Klassik-Pianisten für unvermittelbar. Also spielt er Unterhaltungsmusik à la Liberace – nur besser, wie Tony einmal bewundernd feststellt. Aretha Franklyn und andere populäre Soul-Sänger hört er zum ersten Mal aus dem Autoradio.
Wie er sich zum Einzelgänger entwickelt hat zeigt eine bewegende Szene. Bei einer Autopanne auf dem Land kommen schwarze Feldarbeiter an die Straße, um den feinen Pinkel in seiner großen Limousine anzustarren. Mit dieser Sequenz setzt der Film »Green Book« einen emotionalen Kontrast zu den bedrohlichen Situationen in der Südstaaten-Gesellschaft, in der Rassentrennung und Diskriminierung selbstverständlich sind. Da gibt es schikanierende Sheriffs, Rednecks in Bars oder den Geschäftsführer, der Tony nicht in seinem Lokal speisen lässt, in dem er später auftreten soll. Doch dank Tonys Gewitztheit, seiner Erfahrungen aus Nachtclubs und mit bekannten Mafiosi können die beiden Männer allen Widerwärtigkeiten trotzen.
Die herausragende Kamera von Sean Porter wurde schon erwähnt, »Green Book« knüpft visuell an Hollywoods Goldene Ära an. Doch das große Wunder ist Produzent, Co-Autor und Regisseur Peter Farrelly, der für für Albernheiten wie »Dumm und dümmer« verantwortlich ist. Mit »Green Book« ist ihm ein beeindruckendes Roadmovie gelungen. Denn anhand einer glänzend erzählten persönlichen Geschichte argumentiert er viel effizienter gegen rassistische Vorurteile als es manch anderer Regisseur mit politischen Propagandafilmen vermag.
Die gesellschaftlichen Verhältnisse ändern sich nicht, aber Tony sieht am Ende Don als einsamen Menschen, und Don erkennt, dass er nicht zur Einsamkeit verurteilt ist.

Claus Wecker
GREEN BOOK – EINE BESONDERE FREUNDSCHAFT
von Peter Farrelly, USA 2018, 130 Min.
mit Viggo Mortensen, Mahershala Ali, Linda Cardellini, Don Stark, Sebastian Maniscalco, P.J. Byrne
Roadmovie
Start: 31.01.2019

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