Hin und weg (ab 23.10.2014 im Kino)

fr_1023_Hin_und_weg2Belgien sehen und sterben

»Hin und weg« von Christian Zübert

Lässig geht es eine Clique an, die sich jedes Jahr zu einer Radtour verabredet. Die einen tragen Sportkleidung, die anderen irgendwas, und einer kommt mit einem Gepäckanhänger, in dem ein Ghettoblaster für musikalischen Rückenwind sorgt. Diesmal hat Hannes das Ziel ausgewählt, und es ist ausgerechnet Belgien. Ernsthaft?
Anfangs mokieren sich die Freunde, doch dann überwiegt die Freude am Unterwegs-Sein. Zumal von Anfang an ausgiebige Einkehrkurven stattfinden, bei denen sie abends in gemütlichen Kneipen herumsitzen und Quatsch machen. Doch als die sechs bei Hannes‘ Familie Station machen, kippt die Stimmung. Seine in Tränen aufgelöste Mutter bringt ihn dazu, den Grund für sein Reiseziel zu gestehen. Wie sein Vater leidet Hannes an der unheilbaren Nervenkrankheit ALS. Er hat dessen jahrelanges Siechtum miterlebt und will nicht so elendig enden. Deshalb wird er bei einem belgischen Arzt Sterbehilfe in Anspruch nehmen. Die Radtour ist eine Reise in den Tod. Und seine Kräfte schwinden bereits rapide.
Christian Zübert, der bereits mit der gelungenen Tragikomödie »Dreiviertelmond« überraschte, wendet sich nun ebenfalls dem in den letzten Jahren verstärkt filmisch bearbeiteten Thema Sterbehilfe zu. In seinem stimmungsvollen Film gelingt es ihm meistens, die Balance zwischen komödiantischem Roadmovie und eindringlichem Drama zu halten. Denn wie im wahren Leben arbeitet jeder von Hannes Freunden an seinen eigenen Problemen, die zeitweise die Gedanken an ihren Freund überdecken. Und manchmal sind die sechs einfach nur albern und ausgelassen. Das Wechselbad der Gefühle wird von den markanten Darstellern beglaubigt. In stimmungsvollen Einstellungen genießt Hannes (Florian David Fitz), der sich selbst dem Tod geweiht hat, das sinnliche Glück am Hier und Jetzt in der Natur und die Wärme der Gemeinschaft. Doch bei einem Paar, dem luschigen Dominik und der selbstbewussten Mareike, kommt der lange schwelende sexuelle Frust an die Oberfläche. Und Jürgen Vogel, der wieder den reuelosen Womanizer spielt, schleppt eines Morgens ein Mädchen an, das die Gruppe mit seinem Geplapper nervt. Hannes Frau und sein mitradelnder Bruder sind erst recht am Rande ihrer Nerven.
Nicht alles ist gelungen in diesem Gruppenbild, manche Episode wirkt an den Haaren herbeigezogen. Doch das Zen des Radfahrens, das auch Hannes – »Ich will nicht quatschen, deshalb fahre ich« – ersehnt, zeigt letztlich Wirkung. Es ist dem Film außerdem hoch anzurechnen, dass er dem Publikum, in Echtzeit, auch Hannes‘ Ende zumutet. Dennoch soll nicht verschwiegen werden, dass Zübert, der in Hessen und Frankfurt drehte, ein fetter Fauxpas unterlief. Die sechs beginnen ihre Reise am Frankfurter Mainufer – radeln allerdings in Richtung Osten, nach Offenbach. Das tut den Einheimischen weh.

Gabriele Zimmermann
HIN UND WEG
von Christian Zübert, D 2014, 95 Min.
mit Florian David Fitz, Julia Koschitz, Jürgen Vogel, Johannes Allmayer, Victoria Mayer, Hannelore Elsner
Tragikomödie
Start: 23.10.2014

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