Hofmanns Erzählungen

Tatort Fernsehen 1:

Nico Hofmann gilt nunmehr als der größte Film-Produzent Deutschlands – nach Bernd Eichinger. Nach Volumen und Quoten ist er das sicher auch. Sein Ansehen beruht allerdings weniger auf der Qualität seiner Filme, sondern vielmehr auf der Wahl seiner Themen, die allesamt mit deutscher Befindlichkeit zu tun haben und sich irgendwie bemühen, den heute lebenden Deutschen etwas von der Last ihrer Geschichte abzunehmen. Das macht seinen Erfolg aus – und ihn so beliebt.

Darüber hinaus ist er eine Art Themen-Leichenfledderer, der sich um Stoffe wie den großen Tsunami, den Selbstmord von Robert Enke, die Causa Christian Wulff, die Entführung von Richard Oetker oder den Tod des Bankierssohns von Metzler bemüht.

Zu seinen großen TV-Movies, die deutsche Geschichte bearbeiten, gehören u.a. DER TUNNEL (2001), DIE LUFTBRÜCKE (2005), DIE STURMFLUT (2006), DRESDEN (2006), DIE FLUCHT (2007) und jetzt UNSERE MÜTTER, UNSERE VÄTER (2013), dessen erste Folge immerhin über 7 Millionen Zuschauer (also fast so viel wie ein TATORT – und damit nicht genug) fand.

Die meisten von Hofmanns Filmen wurden regelmäßig, wenn auch sanft verrissen, und waren von unterschiedlicher Qualität. So war z.B. DER TUNNEL von Roland Suso Richter sehr gut, DRESDEN (vom selben Regisseur) dagegen ein ziemlicher Mist.

Das alles hängt in gleichem Maße von Deutschland, dem deutschen Filmschaffen und Nico Hofmann ab, der sich bekanntlich um jeden seiner Filme müht wie David O. Selznick um GONE WITH THE WIND.

Wenn wir Filme als Kunstwerke betrachten, dann braucht es für die Herstellung eines jeden Filmes einen guten Grund. Der Produktions-Grund für UNSERE MÜTTER … war (nach FAZ) die Tatsache, dass es bald keine Zeitzeugen mehr gibt und das Anliegen, den heute Lebenden klarzumachen, daß sie keineswegs sicher sein können, damals in einer vergleichbaren Situation anders gehandelt zu haben als ihre Eltern oder Großeltern – vor allem letzteres ist sehr verdienstvoll.

Das Problem ist, daß bei allen deutschen Produktionen die Nazis von vornherein als so abgrundtief schlecht gezeichnet werden müssen, dass man sich fragt, wieso dann damals so viele auf diese Typen reingefallen sind. (Immer unterstellt das deutsche Volk war nicht insgesamt vollkommen plemplem.) Kein deutscher Autor kann an den Nazis auch nur das geringste gute Haar lassen, denn sonst wäre er hier untendurch. Deswegen können interessante Filme über die Nazis nur aus dem Ausland kommen. Beispiel: HITLER – AUFSTIEG DES BÖSEN, eine kanadisch-amerikanische Produktion von 2003 mit Robert Carlyle als Hitler. Carlyle sieht Hitler überhaupt nicht ähnlich. Im Unterschied zu Bruno Ganz im UNTERGANG zeigt er mehr vom »wahren« Hitler und seiner Bande, von Macht und Verführung und Aufbruch mit seinem kleinen Finger als Bruno Ganz mit der ganzen Hand.

An Hofmanns Filmen wird seltsamerweise eben dies nie kritisiert. Es wird ihm meist nur vorgeworfen, daß die Kostüme fehlerhaft waren oder die Requisiten oder daß sich überpüfbare historische Ereignisse nicht genau so zugetragen hätten, wie bei Hofmann dargestellt. Für sich genommen ist diese Art Kritik armselig, denn letzten Endes kann ein Kunstwerk auch dann überzeugen, wenn Straßen und Häuser lediglich mit Kreidestrichen auf Asphalt gezeichnet und die Kostüme auf den nackten Leib gemalt sind. Auf die innere Wahrheit kommt es an – und hieran hapert es beim deutschen Filmschaffen insgesamt, doch hierfür ist nicht Hofmann alleine verantwortlich, sondern es sind auch seine Redakteure und die vielen Gremien, in denen beschlossen wird, ob und wieviel Geld er für seine jeweils neueste Geschichtsstunde bekommt.

So ist UNSERE MÜTTER… vermurkst von einer der ersten Szenen an. Darin wird der Abschied von 5 Jugendfreunden in einer geschlossenen Kneipe gezeigt, die 1941 auf die eine oder andere Art in den 2. Weltkrieg ziehen müssen oder gar wollen und sich einreden, der Spuk sei bis Weihnachten vorbei. Ein Mädchen legt eine Swingplatte auf, Musik, die offenbar alle mögen, und man tanzt. Dann kommt ein SS-Mann herein, bemängelt die Musik, die ja verboten sei. Als das Mädchen sie verteidigt, wird sie für den nächsten Tag aufs Amt bestellt.

Nehmen wir dieses Setting, dass zwar einigermaßen konstruiert wirkt, ernst, dann stellt es den Protagonisten als Individuum und als Gruppe eine eminent wichtige Frage, die Frage nämlich nach ihrer Haltung zu dem gerade Geschehenen. Diese Haltung wäre dann die Haltung des Films bzw. die Unterschiede der Haltung der Einzelnen gäbe dem Film den Strang dessen vor, was er diskutieren will.

Doch die Szene verpufft, die Protagonisten werden weder als Gruppe ähnlich Gesinnter etabliert, noch kommt es zu abweichenden Meinungen, die die Einzelnen als unverwechselbare Individuen charakterisieren.

Die fünf Freunde reagieren vielmehr so, als wäre das alles Alltag, als käme es dauernd vor – als müsse man mithin dazu keine Haltung einnehmen. Alles, was danach passiert, krankt an diesem grundsätzlichen Mangel. Und vielleicht ist es dieser Mangel, der die Kritiker von Hofmanns Erzählungen dazu bringt, sich an fragwürdigen Wahrscheinlichkeiten zu delektieren, statt dem Fehlen einer inneren Wahrheit.

So verfehlt Hofmann sein Ziel, den Leuten klarzumachen, daß sie keinen Jota besser sind als ihre Vorfahren – denn das Schlechte ist immer eindeutig als solches zu erkennen. Seine Protagonisten wissen immer, dass sie Schlechtes tun, und sie können sich alleweil auf Befehlsnotstand berufen und als Opfer »höherer« Mächte.

Das ist mehr als eine grobe Verharmlosung der Nazizeit. Es ist langweilig.

Peter Woll

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