Kammeroper feiert 25-Jahr-Jubiläum mit Rossinis »Die verkehrte Braut«

Es ist lind, es ist lau und gerade noch hell vor der Orchestermuschel im Palmengarten. Die Wolldecke federt den harten Sitz der Drahtbank ab. Mit dem Wein aus der Kühltasche stoßen wir auf einen schönen Abend an. Später watschelt hier eine Entenfamilie durch die Reihen. Entspannter kann man einer Oper nicht lauschen. Schon gar nicht, wenn diese so flockig daherkommt wie Gioacchino Rossinis »Die verkehrte Braut«. Eine ›opera buffa‹, die es in schlüpfrigster Sprache (Libretto: Gaetano Gasbarri) ganz darauf anlegt, dem ›popolo‹ zu gefallen. Was für eine Vorlage also für die Frankfurter Kammeroper und ihren Maestro Rainer Pudenz zum 25ten!
Tatsächlich wurde »L’equivoco stravagante« (das extravagante Missverständnis) damals nach nur drei Aufführungen verboten. Sie beleidige die Obrigkeit, das Militär und, man staune, auch die Minderheit der Kastraten, monierte der Mailänder Polizeichef das Libretto. Rossini war 19, als er zu seiner bereits dritten Oper beauftragt wurde. Dass diese hierzulande bisher kaum zu sehen war und nun gar Frankfurt-Premiere hat, wundert vor allem, weil die Fachwelt ihr alle Charakteristika des »reifen« Rossini attestiert. Und das heißt nicht allein melodischstes Belcanto und Koloraturen im Übermaß, sondern auch wahnwitzige Tempobeschleunigungen (accelerandi). Da plappern, brummeln, zetern und wüten vier, fünf, sechs der Figuren jede für sich in einem immer drängenderen Stakkato.
Rossinis Musik steht ganz im Dienst der Komik und Situation. Auf Herz, Schmerz und Tiefgang wird dankend verzichtet. Und noch eins zeichnet den von Ensemble-Mitglied Thomas Peter adäquat neuübersetzten und meist gut verstehbaren Zweiakter aus: Die häufigen Sprechparts (parlandi) halten uns mühelos im Spiel.
Die musikalische Leitung hat Pudenz dem in Leningrad geborenen Israeli Daniel Stratievsky übertragen. Der 33-jährige Dirigent schwebt fast über den Seinen, um mit geschmeidigen Gesten jeden Akkord aus den Reihen seiner 25 Musiker gleichsam persönlich zu Gehör zu geleiten und sorgt zudem mit dem Cembalo für barockhafte Übergänge von Szene zu Szene. Auch das augenzwinkernde Carmen-Zitat zu Ernestinas Auftritt nach der Pause kommt vom Pult.
Womit wir bei der Handlung sind: Der verschuldete Bauer Gaberotto (Thomas Peter) will dem reichen, aber tumben Buralicchio (Thomas Führ) seine (buch-)gebildete Tochter Ernestina (Dzuna Kalnina) vermachen, in die aber auch der Hauslehrer Ermanno (Ralf Simon) verliebt ist. Die geplante Hochzeit aber wird von Ermannos Freund Frontino (Ilya Aksionov) und der Magd Rosalinda (Louise Fenbury) vereitelt, die dem Verlobten suggerieren, seine Künftige sei in Wahrheit ein Kastrat, der sich in Frauenkleidern dem Militär entziehe.
Pudenz hat die Figuren, von den Kostümen Claudia Krauspes kräftig unterstützt, gnadenlos karikiert. Kalninas stimmgewaltige virtuose Ernestina gibt im knallroten Rüschenkleid und mit Schleife im schwarzen Haar eine waidwunde Göre, die in unmissverständlicher Körpersprache ihre »innere Leere« beklagt. Führs Buralicchio stolziert als Stutzer im Paillettenanzug ein, das krasse Gegenbild von Simons fadem Lehrer (Tenor). Wüsste man nicht, dass der gute Tenor in der Oper von jeher den bösen Bariton besiegt, Ermanno also den Buralicchio, der Ausgang bliebe ungewiss. Den Lorbeer im Sänger(innen)wettstreit heimst ohnehin Peters Vater-Bass ein, den Oscar für das Kostüm Fenburys Dienerin im eleganten Etuikleid mit Nerzstola. Das vom aufgedrehten Kammeropern-Chor einmal mehr lustvoll begleitete Musikspektakel ist ein Hingeher.

Lorenz Gatt
Termine: 9., 10., 14., 16., 17. August, jeweils 19.30 Uhr
www.kammeroper-frankfurt.de

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