Kino-Neugründung in Bad Soden

Es gibt auch gute Nachrichten in diesen Zeiten. Der neue Stern am Kinohimmel im Rhein-Main-Gebiet leuchtet, sobald Kinos wieder Filme zeigen können, in Bad Soden am Taunus, mit der S3 keine 20 Minuten vom Frankfurter Hauptbahnhof entfernt. Dort wird gerade aus der »KULT Kinobar« das »CasaBlanca Art House«. Der Untertitel der Neugründung ist programmatisch zu verstehen: Arthaus-Filme, aber eben auch Haus der Künste – für Musik und Kabarett, Kleinkunst und Poetry Slam, Konzerte und Stummfilme, Filme in Originalfassung und Diskussionen. Kino als Kulturzentrum, als Begegnungsstätte der Generationen und Kulturen.

Ende 2012 sollte das damalige Bad Sodener »Kur-Filmtheater« für immer schließen. Aus dem damals von Alf Mayer moderierten Abschiedsabend entwickelte sich eine Bürgerinitiative und innerhalb von drei Wochen der »Verein KinoKultur Bad Soden«, bald schon als gemeinnützig anerkannt und mit einem Feuerwerk von Aktionen aktiv. Im alten Kinosaal mit der hervorragenden Akustik machte zum Beispiel Frank Wolff live und ganz ohne Mikro mit seinem Cello Gänsehaut, Emil Mangelsdorff spielte vier Zugaben auf seiner Klarinette, zwei Mitglieder des Ensemble Modern intonierten live die neugeschriebene Partitur für das digital restaurierte »Kabinett des Dr. Caligari«.

Die Familie Behrle als Hausbesitzer nahm viel Geld in die Hand, renovierte und modernisierte das Kino, die Förderung griff gerade noch für die Digitalisierung, und mit Julia Halbritter und Sebastian Nagy wurden junge Pächter gefunden, die aus der »KULT Kinobar« ein weithin angesehenes Programmkino machten – mit Sonderveranstaltungen unterstützt vom Kino-Verein. Drei Kinoprogrammpreise und drei Mal der städtische Kulturförderpreis waren die Folge. Unter Marktgesichtspunkten darf es heute aber solche Ein-Leinwandhäuser wie das in der 22.000-Einwohner-Stadt Bad Soden eigentlich gar nicht mehr geben. Das nächste Multiplexkino liegt knapp zwei Kilometer entfernt im Main-Taunus-Zentrum.

Die lange Corona-Zwangspause brachte das Bad Sodener Kino abermals an den Rand der Schließung. Gäbe es da nicht drei Musketiere. »Dieses Kino darf nicht schließen«, waren sich nämlich drei Vereinsmitglieder einig, die von Anfang an dabei waren. »Noch einmal so etwas wie 2012 und diese Stadt ohne jedes Kino, das wollten wir verhindern.« Bis zur Gründung einer GmbH war dann auch noch der Kreative Jan Schmodde an Bord, dessen Agentur ihr Büro in (ja, in) der Frankfurter Kleinmarkthalle hat. Er unterstützt das »CasaBlanca« mit der Gestaltung der Homepage und betreut den Social Media Auftritt, die Kernkompetenz von »Circle Kommunikation«. Als Cineast ist er eine perfekte Ergänzung und wird das Kino sicherlich mit eigenen Reihen und Ansätzen mitprägen.

Bad Soden mag aus Frankfurter Sicht zwar ein Stück weit weg liegen, umgekehrt ist die Verbindung weit normaler. Musketier Nr. 1, die TV-Journalistin, Filmemacherin und Producerin Irene Bräuninger, arbeitet vorwiegend in Bockenheim und Bornheim. Alf Mayer, den »Strandgut«-Leser seit 1986 mit seiner Kolumne »Blutige Ernte« kennen, wohnte 33 Jahre in Frankfurt, ehe ihn die Liebe nach Bad Soden zog. Javier Lozano, Musketier Nr. 3 und der Geschäftsführer des neuen Kinos, war ein Höchster Gewächs, ehe er sich 1993 in Bad Soden niederließ. Seine Agentur M&L Communication Marketing sitzt im Frankfurter Westend. Für sie alle, so fasst Javier Lozano es zusammen, »ist Kino ein Lebenstraum«. Alf Mayer zitiert dazu Robert De Niro aus Martin Scorseses »Taxi Driver«: »All my life has pointed in one direction …«.
Scorsese mit seiner dezidierten Haltung zu den Streamingdiensten ist es auch, der dem Kino, wie die Neugründer es machen wollen, das Wort redet. Er sagt: »Ich bin überzeugt davon, dass das Kino der Zukunft bei den kuratierten ›micro cinemas‹ liegt. Kuratieren ist wie Filmemachen ein Akt der Liebe. Das wird sich niemals ändern. Nicht für Menschen, die mit Herzblut für das Kino sind.«

Filme mit Herzblut sind es allesamt, mit denen das »CasaBlanca« an den Start geht. Die drei Musketiere haben ein Eröffnungsprogramm von 35 Filmen zusammengestellt, das sich deutlich von sonstigen Sommerprogrammen abhebt. Darunter tolle Musik- und Dokumentarfilme, Filme mit Regisseur-Besuch, Kulinarik, OmUs. Einzelheiten hier demnächst mehr. Und es gibt ein weiteres Bad Sodener Alleinstellungsmerkmal. Etwas, das kein anderes Kino zu bieten hat: nämlich Open Air im eigenen, schnuckeligen, efeubewachsenen Kino-Innenhof, mitten in der Kurstadt. 50 Corona-Plätze an Tischen, dazu Gastronomie und gute Weine und Säfte. Die Außenseite des Kinos wird dabei zur sozusagen zweiten Leinwand. Damit, sowie mit der wandlangen Bar im Kinosaal, den nostalgischen (und bald neu gepolsterten) Zweier-Loveseats und den vielen Ideen – darunter ein von Dusan Pintner, dem Gründer und ehemaligen Leiter des neuen Theater Höchst, kuratiertes Kabarett-Programm – will das »CasaBlanca« Bad Soden sich einen Namen machen. Der Großraum Frankfurt bekommt ein Kino mehr. Wenn das keine gute Nachricht ist …

Borgward Hoberman

www.casablanca-badsoden.de

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert