»Lunana – Das Glück liegt am Himalaya« von Pawo Choyning Dorji

Der Zeitpunkt für den deutschen Kinostart dieses Films scheint gut gewählt. Denn zu dem allgemeinen Frust über Pandemie und angebliches oder tatsächliches Politikerversagen hierzulande liefert dieser Film aus dem fernen Bhutan ein Kontrastprogramm. Denn er zeigt eine Welt, die heil zu nennen sich am Ende geradezu aufdrängt.

Lunana, Filmtitel und Handlungsort, ist nicht ein Ort auf dem Mond, sondern ein kleines Dorf im Himalaya, wo Bhutan, das Land mit den angeblich glücklichsten Menschen, an Tibet grenzt. Es ist zu Lande nur durch einen achttägigen Marsch bergauf erreichbar. Über mehrere Bergpässe geht der Weg auf über 4000 Meter Höhe.
Dort soll der junge Lehrer Ugyen an der entlegensten Schule des Landes sein Praktikum beenden. Zu seinem großen Missvergnügen, träumt er doch von einer Karriere als Sänger in Australien. Doch die Regierungsbeamtin lässt keine Ausreden gelten. Schließlich hat ihm das Königreich seine Ausbildung nicht zur exotischen Bereicherung der australischen Unterhaltungsindustrie ermöglicht.
Hier, im eigenen Land gibt es Kinder, die darauf warten, unterrichtet zu werden, und so macht sich Ugyen unwillig auf den Weg. Und ist erstaunt, mit welch zurückhaltender Herzlichkeit er nach seinem anstrengenden Marsch empfangen wird. Die dankbaren Dorfbewohner sind ihm schon ein Stück entgegen gekommen und begleiten ihn den restlichen Weg.
Was alles haben sich die Menschen von dem neuen Lehrer erhofft! Ihre Kinder sollen Englisch und Mathematik lernen und einmal viel wissen über die Welt jenseits der Berge, die sie umgeben. Es soll ihnen besser gehen als ihren Eltern.
Doch Ugyen ist erschöpft von dem Aufstieg und schockiert über den erbärmlichen Zustand des Schulgebäudes und die primitiven Bedingungen seiner Unterkunft. Seine erste Reaktion ist: Sofort wieder zurück in die Hauptstadt! Doch der Dorfvorsteher gibt zu Bedenken, dass die Maultiere, die das Gepäck getragen haben, sich erst ein paar Tage lang erholen müssen.
In der Zwischenzeit packt den jungen Mann der Ehrgeiz, er beginnt mit dem Unterricht und sieht lernbereite Kinder vor sich sitzen, dass es eine Freude ist. Auch die Erwachsenen tun alles, um ihm die Umstellung zu erleichtern.
Als sich die Maultiere wieder erholt haben, hat sich auch Ugyen von seinem Schock erholt und verkündet, dass er bleiben will. Sehr zur Freude des ganzen Dorfes. Er, der wie ein westlicher Tourist mit Kopfhörern seinen singenden Begleitern beim Aufstieg gefolgt ist, hat verschmerzt, dass sein iPod nicht genügend Elektrizität zum Aufladen bekommt. Und als mit einem Paket Schulmaterial auch seine Gitarre angeliefert wird, gehört gemeinsames Musizieren zum Unterricht, der auch nicht von einem kälteempfindlichen Yak im Klassenzimmer gestört wird (darauf spielt der englische Titel an).
»Lunana« ist ein außergewöhnlicher Film in vielerlei Hinsicht: als erste Regiearbeit von Pawo Choyning Dorji, einem Schriftsteller und Fotografen, der zuvor als Assistent und Produzent Filmerfahrungen gesammelt hat. Hauptdarsteller Sherab Dorji hat die Schule für eine Musikerkarriere abgebrochen und auch die Auswanderung nach Australien erwogen. Michen, sein Ansprechpartner im Dorf, wird von Ugyen Norbu Lhendup, einem arbeitslosen Bauingenieur dargestellt und die Dorfschöne Saldon von der Studentin Kelden Lhamo Gurung. Die neunjährige Ram Zam ist tatsächlich ein Kind aus Lunana mit gleichem Namen. Sie ist gewissermaßen die Seele dieses Films, der, an Ort und Stelle mit den Bewohnern gedreht, als ein Dokumentarfilm mit einer erfundenen Handlung gelten kann. Mit seiner Lebendigkeit und der offenen Frage nach Ugyens Entscheidung für seine Zukunft zieht »Lunana« die Zuschauerinnen und Zuschauer in den Bann.
Ob der Lehrer seinen Wunsch, in Australien Sänger zu werden, verwirklichen wird oder dem verhaltenen Charme der Menschen in Lunana erliegt, soll hier nicht verraten werden. Nur so viel: am Ende sind wir alle ein wenig zu Bhutanern geworden.

Claus Wecker (Fotos: © Kairos Film)

LUNANA – DAS GLÜCK LIEGT AM HIMALAYA (Lunana: A Yak in the Classroom)
von Pawo Choyning Dorji, BHT/CHN 2019, 109 Min., mit Sherab Dorji, Ugyen Norbu Lhendup, Kelden Lhamo Gurung, Pem Zam, Sangay Lham, Chimi Dem
Drama
Start: 13.01.2022

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