»Ortswechsel« Die Kunstsammlung der Deutschen Bundesbank im Museum Giersch

Egal wie das Wetter draußen ist, er leuchtet, beschreibt die Dame das Gemälde »429/65« von Rupprecht Geiger aus dem Jahr 1965. Das Werk leuchtet in der Tat geradezu lichterloh in Orange an ihrem Arbeitsplatz an der Bundesbank. Und obwohl man dazu vermutlich noch viel mehr sagen könnte, ist damit schon das Wesentliche gesagt. Er leuchtet.
Jetzt hängt das Gemälde im Museum Giersch und leuchtet dort. Das ist der gemeinsamen Initiative vom Museum und der Bundesbank zu verdanken, die nun moderne und Gegenwartskunst aus Deutschland aus dem Fundus der Notenbank präsentiert. Mit den Sammlungen begann die Bank im Jahr 1957 vornehmlich aus mäzenatischem Interesse, um junge Künstler*innen und ihren neuen eigenen Blick auf die Welt zu fördern. Sie erstellte eine Artothek, aus der die Mitarbeiter ein Kunstwerk für ihr Büro wählen können. Und so lebt es den Büroalltag neben Computer, Telefon und Schnellhefter quasi mit. Die Kunst ist hier sozusagen im Gebrauch, soll Spaß machen und Blicke öffnen, so die Absichtserklärung der Kuratorin der Bundesbank. Eines der zehn Kabinette der Museumsvilla bezeugt, wo und wie diese Kunstwerke in der Bank hängen oder aufgebaut sind, und das ist teilweise unfreiwillig komisch, sind sie doch neben einem vertrockneten Gummibaum oder einem Feuerlöscher zu sehen, aber diese Authentizität ist gewollt. Da wollte man nichts beschönigen. So »geht« Kunst also auch.
Ein bisschen perplex waren die Leute vom Museum Giersch vermutlich schon, Karl Hofers »Die Sinnende« aus dem Jahr 1936 und Marlene Dumas »Magdalena from behind« in einem so alltäglichen Rahmen zu sehen, hier hängen sie nun in trauter Eintracht beisammen und erklären ohne Worte, was Dialog bedeutet. »Die Sinnende« orientiert sich in ihrer Körperhaltung ganz vage an Auguste Rodins »Der Denker« von 1880, aber weist auf einen ganz anderen geschichtlichen Zusammenhang hin: das Vorkriegsdeutschland. Dieses Gemälde zusammen mit der offensiv aufgerichteten, schemenhaften und gar nicht reuigen biblischen Magdalena von 1995 bildet einen sehr spannenden Kontrast. Wunderbar dazu gesellt sich Cornelia Schleimes »Braut« aus dem Jahr 1995 im zartfarbigen Rokokohabitus, aber grob geteilt durch einen schwarzen Vertikalstreifen.
In den zehn Kabinetten des Museum Giersch ist die Kunst auf diese Weise locker thematisch – und nicht chronologisch – zusammen gefasst. Sicher ist ein bisschen Chronologie dabei, beispielsweise bei der deutlichen Hinwendung zur Abstraktion in der Nachkriegszeit und zum spielerischen Ausloten von Farbspektren und deren Erzeugung von Plastizität. Aber gerade durch den Verzicht auf eine fixierende Ordnung entstehen neue sinnstiftende Begegnungen.
Berührend die Fotoserie von Kupferhäusern in Haifa von Annette Kelm aus dem Jahr 2009, die in den frühen 1930er Jahren von der Deutschen Kupferhausgesellschaft vor allem Juden angeboten wurden, die nach Palästina auswandern wollten – dieses vorfabrizierten Fertighäuser ließen sich in Platten verpackt verschiffen, sie durften sie mitnehmen. Anselm Kiefer ist vertreten, Georg Baselitz, Isa Genzken, Erich Heckel und Anne Imhof. Wunderbar stimmungsvoll und programmatisch das »Firmament« von Ernst Wilhelm Nay von 1963 als farbensprühender Auftakt. Und Michael Riedels herrlich konsumkritische, ironische Exponate, die »Riedels« gedruckt auf echtem Banknotenpapier, als Abschluss.
Es ist ein kleines, feines, kluges Kompendium der modernen und der Gegenwartskunst mit teilweise erfrischenden Gegenüberstellungen und Bezügen entstanden. Schön, dass diese Exponate jetzt öffentlich zugänglich sind.

Susanne Asal

Foto: Rupprecht Geiger: 429/65, 1965
© VG Bild-Kunst, Bonn 2022/Foto: Wolfgang Günzel

Bis zum 8.1.2023: Di., Mi., Fr., Sa., So., 10–18 Uhr; Do., 10–20 Uhr
www.mggu.de

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