Pedro Calderón de la Barcas »Das Leben ein Traum« im Mainzer Staatstheater

Die Welt als Theater, als eine große Bühne, auf der die Menschen nur als ihre Darsteller agieren. Das war der Gedanke des Barock, einer Epoche, in der die Ideale der Renaissance wieder von den religiösen des Mittelalters zurückgedrängt wurden. Der Mensch ist nicht mehr das Maß aller Dinge, sondern nur ein kleines Getriebe in Fortunas Rad, die ihm fortwährend seine Vergänglichkeit und sein unentrinnbares Schicksal vor Augen hält. Der spanische Barockdichter Pedro Calderón de la Barca nähert sich in seinem Drama »Das Leben ein Traum« (1635) diesem Vanitas-Motiv, indem er Traum und Wirklichkeit ineinander übergehen lässt.
Der Mainzer Hausregisseur K.D. Schmidt hat aus dem Versdrama ein Prosastück gemacht, sich aber weitestgehend an die Vorlage gehalten und nur wenig modernisiert: König Basilius von Polen lässt seinen Sohn Sigismund direkt nach der Geburt einsperren, um der Vorhersage, dieser werde ihn in den »Staub drücken«, zu entgehen. Anders aber als beim Ödipus-Mythos holt Basilius, nach vielen Jahren des Regierens müde, seinen Sohn an den Hof zurück, um seine Fähigkeiten als Herrscher zu testen. Sigismund, der bis auf seinen Aufseher Clotaldo sein Leben lang keinen anderen Menschen gesehen hat, lässt sich überraschend schnell davon überzeugen, ein König zu sein. Genauso schnell missbraucht er allerdings seine Macht, so dass Basilius seine Entscheidung bereut und ihn wieder gefangen setzt.
Dient in Calderóns Drama der Turm als Gefängnis (ein Motiv, das Hugo von Hofmannsthal 1928 im gleichnamigen Stück aufgreift), so ist bei Schmidt die Natur sein ‚Lebensraum‘. Zu Beginn des Stücks hängt Sigismund wie ein Affe in einem Baum, ein an seinem Fußgelenk befestigtes Seil schränkt seinen Bewegungsspielraum ein.
Mehrere transparente schwarze Vorhänge (Bühne: Valentin Köhler) verstärken die mystische Atmosphäre und den Eindruck, dass Sigismund die Welt wie durch einen Schleier sieht. Umso mehr, als ihm nach seiner erneuten Verbannung Clotaldo (Martin Herrmann) glauben machen will, er habe sein Herrschaftszeit nur geträumt.
Die Fragilität, die Zweifel und Ängste Sigismunds angesichts einer nicht begreifbaren Welt werden auch von anderen Figuren geteilt: Die junge Adlige Rosaura (Kruna Savić) ist auf der Suche nach ihrem Geliebten, der sie sitzen gelassen hat. Auch sie muss sich ihren Platz in der Welt zurückerobern. Die Parallelhandlungen ergänzen sich nicht nur im Stück, sie zeichnen obendrein ein aktuelles Bild einer orientierungslos gewordenen Gesellschaft.
Bei Sigismund, den Daniel Mutlu auf sehr überzeugende Weise verkörpert, verschwimmen die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit immer mehr und lassen ihn über Schein und Sein dieses Lebenstraums philosophieren: »Im Traum wird mir klar, dass mein Wachsein Schlaf war.« Oder »Das Leben ist ein Traum, bis wir erwachen.« Dennoch erkennt Sigismund sein Fehlverhalten als Herrscher und gelangt zur Einsicht, dass man auch im Traum Gutes tun müsse. Eine Erkenntnis, die zugleich auf die Probe gestellt wird: Das polnische Volk möchte ihn als zukünftigen Herrscher und kürt ihn zum Anführer ihrer Rebellion gegen Basilius… Ein bewegender Abend, der uns nicht nur über das offen gehaltene Ende grübeln lässt.

Verena Rumpf (Foto: © Andreas Etter)
Termine: 1., 5., 12., 22. Dezember, 19.30 Uhr
www.staatstheater-mainz.de

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