Schauspiel Frankfurt präsentiert das zweite Dreier-Set »Stimmen einer Stadt«

Das Frankfurter Schauspiel hat in Kooperation mit dem Literaturhaus ein spannendes Format entwickelt, das die Vielfalt und Widersprüchlichkeit der Main- und Apfelweinmetropole mit Monodramen spiegeln soll, die aus Aufträgen vorwiegend an Prosaschriftsteller entstehen. Blieben die Protagonisten der ersten Staffel von »Stimmen einer Stadt« vor einem Jahr noch eher anonym, der Flaneur, die Flugbegleiterin, der Hochstapler, so sprechen in der zweiten Auflage am Schauspiel Frankfurt drei identifizierbare Personen zum Publikum. Eine Wirtin aus Bergen, eine Hotelbesitzerin aus der Elbestraße und ein Strafverteidiger. Summa summarum erstaunlich: Dieses Frankfurt kommt ohne Klischees und Banker aus. Mit Regisseur Anselm Weber bleiben auch Philipp Bußmann (Bühne) und Mareike Wehrmann (Kostüme) verantwortlich. Nur wenig verändert ist auch die weiße Bühne.
Fangen wir mit dem Juristen an. Andreas Sternthal heißt er hier, Bad Homburger, linke Vergangenheit, SDS, erst Rechtsanwalt, dann Strafverteidiger, alles in Frankfurt, dann Haus in Umbrien und mit zwei Männern in einer Dreierbeziehung – nicht eben unfrustriert. Peter Schröder gibt den an der »unvollkommenen Umarmung« Leidenden mitreißend. Er richtet während des bald anderthalbstündigen Plädoyers in eigener Sache acht Liegestühle aus, Vorfreude auf Gäste ist das nicht. Antje Rávik Strubel hat ihn mit Akkuratesse und subtilem Humor ausgestattet.
Anders bei »Ich verlasse dieses Haus«, das auf das »Hotel Nizza« weist, über 20 Jahre im Familienbesitz ein besonderer Ort im Bahnhofsviertel, für Künstler, Bohemiens und Freaks, aber auch Geschäftsleute. Nach sechs Jahren Geschäftsführung und dem Tod der Mutter sei jetzt Schluss, lässt Tochter Usch wissen, und erzählt von ihrer Familie, dem Bahnhofsviertel, den regelmäßigen Barabenden und eigenwilligen Gästen. Sie reiht dabei für die Zeit charakteristische Schallplatten auf, natürlich Vinyl, Leonard Cohen, Flamenco, Banda Bassotti und andere. Sonderlich besonders findet Usch ihr Frankfurt, diesen »mittelalten Mann mit hoher Stirn« eigentlich nicht. Jedenfalls nicht so, dass sie unbedingt hier weiterleben müsse. Thomas Pletzinger hat seine Gespräche in eine reportagehafte Form gegossen und Anna Kubin leiht Usch die Stimme.
Und dann kommt »Branka«, die Wirtin der »Alten Post«, beliebter Treff ansässiger Dichter und Dichterinnen. Zuerst mag sie nicht, aber dann lockt die sokratisch eingesetzte Stimme der früheren Stadtschreiberin aus dem Off (Katharina Lindner spricht Angelika Klüssendorf), und Branka – wunderbar verkörpert von Christina Geiße in ihrer zweiten Rolle in Frankfurt – erzählt von ihrem slowenischen Dorf, vom Partisanenstolz, Emigration, gescheiterter Ehe, Drogen, Kindern, Liebe und Liebschaften. »Ich bin kein Opfer, den Gefallen tu ich dir nicht«, lacht und lacht sie im Löwen-T-Shirt mit der Flasche in der Hand.
»Branka« und »Ich verlasse dieses Haus« gibt es als Doppelpack, »Unvollkommene Umarmung« füllt allein einen Abend. Lohnend sind sie alle.

Katrin Swoboda (Foto: Peter Schröder in »Stimmen einer Stadt«, © Felix Grünschloß)
Termine »Unvollkommene Umarmung«: 21. Juni, 20 Uhr
»Ich verlasse dieses Haus« und »Branca«: 22. Juni, 20 Uhr
www.schauspielfrankfurt.de

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