Staatstheater Mainz: »Apollo 11« zeigt die Geschichte der US-amerikanischen Raumfahrt als Revue

Völlig losgelöst

Die Wiesbadener Lehrerin, die mit der Fünften ins Theater nach Mainz gepilgert war, hat alles richtig gemacht. »Es hat gezischt, gequalmt und geknallt, was will ich mehr!«, freut sie sich für ihre Pflegebefohlenen. Und gerockt hat es auch beim Weltraumabenteuer »Apollo 11«. Das Team Kommando Himmelfahrt, zu dem Regisseur Thomas Fiedler gehört, präsentiert in einem 70-minütigen Countdown mit fünf Schauspielern die Geschichte der US-Raumfahrt bis zur Mondlandung wie eine Nummernrevue.
Eingeleitet wird das Spektakel von Monika Dortschy wie ein Märchen aus ferner Zeit. Wenn es auch nicht »Peterchens Mondfahrt« ist, das in Mainz zur Theaterweihnacht läuft, geschieht das völlig zu Recht. Denn weder die Zehnjährigen – so alt sollte man sein – noch die meisten ihrer Eltern waren, wie die schlaue FAZ bemerkte, schon auf der Welt oder gar am Fernseher, als der US-Astronaut Neil Armstrong am 21 Juli 1969 die Mondlandefähre Eagle im Meer der Ruhe verließ. 500 Millionen Menschen weltweit verfolgten gebannt das Geschehen und hofften – wenn auch nur vorübergehend – auf eine neue friedliche Zeit.
Erstmal aber wird gemoonrockt nach Blues-Brother-Art hinter Mikroständern: mit Denis Larisch, der später den Armstrong gibt; mit Daniel Friedl, der zu »Buzz« Aldrich wird und sich gar im Moonwalk versucht; mit Klaus Köhler, der als Michael Collins nicht mitdarf, sondern das Raumschiff hüten muss, dieweil die anderen Geschichte schreiben; und mit der omnipräsenten Anika Baumann und Monika Dortschy im Glitzerlook. Hinter dem mit großer Lust spielendem Quintett liefert Andrew Krell an Schlagzeug und Bass den Sound, während an der Rampe fünf Apollo-Raketen stehen, von denen eine, was ja vorkommt, bald explodiert, und ein quadratischer Screen schwebend im Hintergrund mit Zahlen, Bildern von Live-Cams oder Videoprojektionen gefüttert wird.
Szene um Szene erfahren wir, wie es war im Kalten Krieg mit dem Wettlauf zwischen Russen (Sputnik, Leika, Gagarin) und Amis (Kennedy) im Himmel und auf Erden. Mehr noch, man holt sogar bis zum Urknall aus, für den ein Luftballon sein Leben lassen muss. Und das ist nicht nur für Kinder lehrreich. Wer weiß schon, dass über 60 US-Testpiloten ihr Leben für die Raumfahrt verloren? Wer kennt schon die Rede, die US-Präsident Nixon vorbereitet hatte, für den Fall, dass es die Boys nicht zurückgeschafft hätten? Auch Margaret Hamilton, die als Computer-Pionierin gegen viel Widerstand den Ablauf verantwortete, kennen die Wenigsten.
Das hehre Unterfangen, zirka 400 Schüler nicht nur bei Laune, sondern auch bei der Sache zu halten, gelingt bestens, wenn auch nicht bruchlos. Die schöne Idee, die Kinder während der Schau ihre Wünsche an die Zukunft notieren zu lassen, sorgt unnötig für Aufregung, zumal diese ungehört per Rakete in den Orbit gehen. Die Jungs hinter mir haben sich gewünscht, dass Menschen Flügeln wachsen und wohl eher an Playstation als Migration gedacht, die Mädchen wollten mehr Krankenschwestern und bessere Medikamente gegen böse Krankheiten.

gt (Foto: © Andreas Etter)
Termine: 29. Dezember, 18 Uhr
www.staatstheater-mainz.com

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert