Staatstheater Wiesbaden: Hessisches Staatsballett zeigt »Weltenwanderer«

Mit Blumen, Äpfeln und Schnürsenkeln

Nach »Aufwind« und »Spannweiten« tanzt das Hessische Staatsballett erneut einen dreiteiligen Ballettabend: »Weltenwanderer«. Musikalisch gesehen ist es ein herausragender Abend mit Musik von Arvo Pärt, Georg Friedrich Händel, Antonio Vivaldi, Wolfgang Amadeus Mozart, Eric Satie, Frédéric Chopin und Johann Sebastian Bach – gespielt von den gut aufgelegten Musikern des Staatsorchesters unter der Leitung von Lynn Kao.
Drei Gastchoreografen aus drei Ländern, die an vielen Orten weltweit Spuren hinterlassen, inspirierten zum Motto des Abends »Weltenwanderer«. Itzik Galili kombiniert in »A walk above« zwei seiner älteren Stücke miteinander. Die Choreografie beginnt mit einem Solo von Tatsuki Takada und endet mit einem Solo von Ezra Houben. Intensiv und kraftvoll getanzt in einem Meer von Blumen, die einmal bereits zu Beginn im Bühnenboden stecken und zum anderen vom Himmel fallen – was das Publikum mit Beifall quittierte (Vorstellung 7.11.). Zur Musik von Vivaldi (Violinkonzert f-moll, »Der Winter«) ein pas de deux. Das ewige Auf und Ab in Beziehungen wird wunderbar leicht und mit viel Humor getanzt von Clémentine Herveux und David Cahler. Ein absoluter Höhepunkt dieses ersten Teils. Ein persönlicher Text Galilis wird von einer Tänzerin während des Blumenpflückens gesprochen. Der Text bleibt jedoch unverständlich – Übertitel seien hier empfohlen! – und die Szene wirkt allzu vorhersehbar und dazu noch langatmig. Letztlich bleibt vieles in dieser Choreografie im wahrsten Sinne des Wortes im Dunkeln.
»Ssss…« – der zweite Teil des Abends ist ein stilles Stück des rumänischen Choreografen Edward Clug zu vier Nocturnes von Frédéric Chopin. Sechs Tänzer – drei Frauen und drei Männer – treiben durch die Nacht. Sitzen wie verloren in einem Bühnenbild, das aus einen Flügel und Dutzenden von Klavierhockern besteht. Zu den einzelnen Nocturnes – gespielt von Lynn Kao – erheben sich einzelne Tänzer. Finden zueinander – mal zu zweit, mal zu dritt – und gehen wieder auseinander. Elegisch und sehnsuchtsvoll, auf Spitze getanzt, ganz zum Schluss löst eine Tänzerin bedeutungsvoll das Band ihres Schuhes.
 »Suite Suite Suite«, die Choreografie des deutschen Marco Goecke  steht, dramaturgisch klug gedacht, am Ende des Abends. Von der Zeitschrift »tanz« gerade zum Choreografen des Jahres 2015 gekürt, greift Goecke zu einer Musik von Johann Sebastian Bach auf biografische Details aus dem Leben des Komponisten zurück. So weiß man, dass Bach mangels Geld oft weite Strecken zu Fuß zurücklegen musste und dass er sich einer Augenoperation unterziehen musste, bei der Äpfel eine schmerzhafte Rolle spielten. Diese Momente greift die Arbeit mit Requisiten in Form von Wanderschuhen und Äpfeln auf. Genau durchchoreografiert sind all die flatternden und zuckenden Bewegungen der Tänzer, die ein Markenzeichen Goeckes sind. Virtuos getanzt von Shelby Williams und acht Kollegen, erinnert das über weite Strecken an Slapstick. Ohne jedoch Tiefe und Dunkel sowohl in Bachs Leben als auch im Leben der Tänzer außen vor zu lassen.
Die »Weltenwanderer« bieten die Chance, vielseitige und unterschiedliche Bewegungssprachen und choreografische Handschriften kennenzulernen – und das mit der live eingespielten Musik des Hessischen Staatsorchesters. Ein Abend zum Träumen und Genießen.

Walter H. Krämer (Foto: © Regina Brocke)
Termine: 3., 10., 17., 21. Dezember, jeweils 19.30 Uhr
www.staatstheater-wiesbaden.de
www.hessisches-staatsballett.de

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