Staatstheater Wiesbaden nimmt »Buddenbrooks« nach Thomas Mann wieder auf

© Monika und Karl ForsterEin vierstündiges Tischfeuerwerk

Es ist ein herrlich trauriges, dreifaches Scheitern, das in zwei großen Blöcken den Untergang der Kaufmannsdynastie Buddenbrook im Staatstheater Wiesbaden begleitet. Vor der Pause zerbrechen die hohen Träume der lebensfrohen jungen Tony vom privaten Glück so heftig, dass man es schmerzlich knacken zu hören meint. Und danach in einer unheilgetriebenen Zwangsläufigkeit die ihrer gegensätzlichen Brüder Thomas und Christian.
John von Düffel hat seine Theateradaption von Thomas Manns Roman »Buddenbrooks« um diese beiden Erzählstränge angelegt, was dem ersten Teil der Inszenierung von Eric-Uwe Laufenberg einen komödiantischen Touch verleiht und dem zweiten in seiner Zuspitzung auf den ökonomischen Niedergang des Unternehmens eine tragische Note. Addiert ergibt dieser Extrakt ein gut vierstündiges puristisches Schauspielerfeuerwerk, das unter weitgehendem Verzicht auf modernistische Schlenker dem historischen Rahmen des Textes gänzlich verbunden bleibt – und nicht eine Sekunde langweilig wird. Ein Ersatz für die sehr viel weiter und tiefer führende Lektüre des mit zahlreichen autobiographischen Noten gespickten Romans ist es gewiss nicht.
Im Zentrum der Aufführung aber steht ein Möbel. Ein großer, den in lindem Blau und Grün leuchtenden Salon beherrschender Tisch, der bei einer köstlichen Schaueinlage von Christian (Stefan Graf) auch mal als Varietébühne fungiert. Nur dass an seinem fernen Ende über lange Zeit die Konsulin (Jessica Früh) wie eine Büste sitzt und sphinxisch schweigt, wirkt rätselhaft. Da Frau Mama nach ihrem Tod aber nicht mehr zurückkehrt, übersteht der Tisch auch sie.
Besonders darf man sich auf die Schauspieler freuen. Der aus Mainz gewechselte Stefan Graf zieht in der Rolle des hypochondrischen Hallodris Christian alle Register seines Talents. Er fläzt und flirrt, albert spitzzüngig herum und schwadroniert, er singt, tanzt und leidet – und weiß dennoch die Sympathien auf Distanz zu halten. Was auch seinem Pendant Janning Kahnert als Thomas Buddenbrook gelingt. In aller sorgenden Redlichkeit lässt der mit der Verantwortung für das Unternehmen betraute Erbe seinen Zwangscharakter spüren, der in der Maßregelung seines Sohnes Hanno beim Gedichtaufsagen gipfelt. Seine befremdenden Seiten kann selbst der von Bernd Ripken glaubhaft in natürlicher Autorität gespielte Konsul Jean Buddenbrook nicht verleugnen, wenn er Tony (umwerfend: Janina Schauer) aufs Eheschafott mit  Bendix Grünlich (Uwe Kraus) nötigt. Immerhin beschert Papas etwas irritierender Räsonismus dem Stück die mitreißendsten Szenen des Abends: die Begegnung des buchgemäß mit gelbem Backenbart gepolsterten Freiers mit der von ihm angewiderten Haustochter, der nach ihrem schmählichen Ende Tonys nächste unglückliche Liaison mit dem Bayern-Bierschädel Permaneder folgt – auch er wunderbar von Uwe Kraus gespielt.  Höhepunkte eines verdient gefeierten Abends.

Winnie Geipert
Termine: 20. September, 19.30 Uhr
(weitere im Oktober)
www.staatstheater-wiesbaden.de

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