Das Genie und der Geschäftsmann
»Yves Saint Laurent« von Jalil Lespert
Gerade einmal 21 ist Yves Saint Laurent, als er nach dem Tod Christian Diors im Jahr 1957 die künstlerische Leitung des wichtigsten Modehauses Frankreichs übernimmt. Die Presse ist skeptisch, ob das hagere, schüchterne Kerlchen der Aufgabe gewachsen ist, aber schon bald überzeugt er die Öffentlichkeit mit seinen Kollektionen.
Frankreich liebt seine Modeschöpfer und legt ihnen auch gerne eigene Biopics im Doppelpack zu Füßen. 2009 traten Anne Fontaines »Coco Chanel« und Ian Kounens »Coco Chanel & Igor Strawinsky«“ gegeneinander an. Nun gehen in diesem Jahr mit Jalil Lesperts »Yves Saint Laurent« und Bertrand Bonellos »Saint Laurent«, der im Herbst in Frankreich starten soll, gleich zwei Filme über den Dior-Nachfolger an den Start. Lesperts filmische Biografie konzentriert sich auf die Beziehung zwischen Saint Laurent und seinem Lebensgefährten Pierre Bergé (Guillaume Gallienne).
Die beiden vollkommen unterschiedlichen Charaktere scheinen einander perfekt zu ergänzen: das kreative Genie, das sich mit den praktischen Aspekten des Lebens wenig auskennt, und der erfahrene, etwas ältere Geschäftsmann. Als der in Algerien geborene Yves sich weigert, in den Algerienkrieg zu ziehen, und Dior ihn unter dem Druck der öffentlichen Empörung feuert, ist es Pierre, der ihn dazu motiviert sein eigenes Modelabel zu gründen. Derweil rollen die wilden Siebziger heran, und es zeigt sich, dass der manisch-depressive Künstler dem exzessiven Lebenswandel jener Jahre nicht immer gewachsen ist. Der Film »Yves Saint Laurent« hangelt sich von Erfolg zu Erfolg, von Krise zu Krise und von einer Modeschau zur nächsten, ohne wirklich einen Spannungsbogen aufbauen zu können. Aber was dem Film an dramatischem Gehalt fehlt, macht er durch seine hervorragenden Schauspieler wett. Pierre Niney liefert ein sehr nuanciertes Porträt des Designers, dessen psychische Höhen und Tiefen er ohne naheliegendes Overacting ausspielt. Er und Guillaume Gallienne geben ein glaubwürdiges schwules Paar ab, dessen kompliziertes Zusammenleben weitgehend klischeefrei abgebildet wird. Natürlich überzeugt der Film auch auf der Ebene der Ausstattung und das nicht nur auf dem Laufsteg, wo die Original-Kreationen des Meisters vorgeführt werden, sondern auch durch die stilvolle Art, wie hier das Zeitkolorit ins Bild gefasst wird. Dabei gelingt es Lespert jedoch nicht Saint-Laurents revolutionären Modeentwürfen – wie etwa den Hosenanzug für die Frau – zeitgeschichtlich einzuordnen. Dass seine Haute Couture fest mit dem emanzipatorischen Geist jener Jahre verbunden war, bleibt leider außen vor.