Vermutlich sind sich die Komponisten Paul Hindemith und der jetzt wiederentdeckte Erich Riede beim Studium in Dr. Hoch´s Konservatorium begegnet. Denn beider Lehrer war Bernhard Sekles, in jener Zeit (ja bis heute) bedeutender Wegbereiter ebenso bedeutender Namen wie etwa Theodor W. Adorno (nebenher auch Komponist) oder der progressive Dirigent/Komponist Hans Rosbaud. Im Rahmen seiner Tätigkeit als Direktor des Musikinstituts hat Sekles, zusammen mit den Städtischen Bühnen Frankfurt, 1924 ein Opernstudio gegründet und insofern ganz sicher auch seinen Schüler Erich Riede von der reinen Orchestermusik hin zur Komposition einer Oper geführt. Nachzulesen ist dies zwar nicht (auch nicht im umfangreichen Kompendium des Konservatoriums anlässlich des 100-jährigen Jubiläums 1978). In den wenigen Orchesterwerken von Erich Riede, die auf YouTube in Aufnahmen mit ihm selbst am Pult der Nürnberger Sinfoniker zu hören sind, wird aber deutlich, aus welcher »Schmiede« er kommt.
Seine Tonsprache orientiert sich möglicherweise an Zeitgenossen wie Franz Schreker oder Gustav Mahler, ohne sie jedoch zu kopieren. Sekles´ Credo war, seinen Studenten zwar eine Richtung zu weisen, sie aber zur Entfaltung stilistischer Freiheiten zu ermuntern.
So hat auch Erich Riede durchaus einen eigenwilligen Duktus seiner Tonsprache entwickelt.
Im Offenbacher Musikverlag Johann André, der im vergangenen Jahr sein 250. Bestehen feierte und u.a. schon Mozart betreute, wurde kürzlich die Partitur des Opern-Einakters »Riccio« von Erich Riede (1903–1986) wiederentdeckt. Der in London geborene Komponist wuchs in Offenbach auf, doch eine große Karriere führte ihn u.a. als Assistenten von Arturo Toscanini an die Met in New York. Nicht ganz unumstritten (als NSDAP-Mitglied 1933 eingetreten, 1939 wieder gelöscht) wirkte er an verschiedenen deutschen Opernhäusern als GMD, zuletzt gab er Kompositions-Meisterklassen in Nürnberg.
Die Entdeckung der Oper »Riccio« ist für Offenbach auch insofern interessant, als Erich Riede mit Dr. Martha Wertheimer eine äußerst engagierte Textdichterin gefunden hat, die als Redakteurin für die Offenbacher Zeitung tätig war und sich gegen Verbrechen des Nazi-Regimes einsetzte.
Die dramatische Liebesgeschichte zwischen der Königin Maria Stuart und einem italienischen Sänger »Riccio« (die opernhaft im Desaster endet) zeigt, so heißt es der Ankündigung, Anklänge bzw. Parallelen zu Oscar Wilde/Richard Strauss´ »Salome«. Das erst 1947 (also mehr als 20 Jahre nach seiner Entstehung) uraufgeführte und rekonstruierte Werk darf nun in Offenbach seine Wiederauferstehung feiern. Das Hausorchester des Capitol Theaters wird bei der konzertanten Aufführung von Yuval Zorn geleitet, ein großes Solistenensemble und Video-Projektionen von Tim Seger lassen ein besonderes Ereignis erwarten.
Opernentdeckung in Offenbach: »Riccio«