»Ich bin kein Fall« – Sprechender kann der Titel nicht sein, den die Autorin und Regisseurin Carolin Millner ihrer neuesten Produktion gegeben hat, denn natürlich war Bertha Pappenheim, der sie ihre Stückentwicklung widmete, »ein Fall«. Zumindest für Sigmund Freud, der die Arbeit mit ihr im Jahr 1895 in seinen »Studien zur Hysterie« publizierte: Bertha ist der darin verhandelte Fall Anna O.
Mit ihrer Truppe »Eleganz aus Reflex« frischt Millner kontinuierlich die Erinnerung an herausragende jüdische Persönlichkeiten auf und versteht diese Beschäftigung als Arbeit gegen den aktuell rasant wachsenden Antisemitismus. Es ist die siebte Arbeit dieser Künstler*innengruppe, die um diesen Schwerpunkt kreist. Nach den Rothschilds nun also Bertha Pappenheim, und deren Biografie prallt mit ungeheurer Wucht hinein in die Zeitläufte der ersten Jahrzehnte des 20.Jahrhunderts, der Assimilierung weiter Kreise der jüdischen Bevölkerung, der zahlreichen Flüchtlinge aus Russland, die vor den dortigen Pogromen in Frankfurt Zuflucht suchten. Sie ist Feministin, Sozialistin, bekennende Jüdin. Sie publiziert, ist erste Vorsitzende des Jüdischen Frauenbundes, kämpft gegen Prostitution und Frauenhandel, gründet in Neu Isenburg ein Heim für junge alleinerziehende Mütter, engagiert sich in der Mädchenbildung.
Was die Zuschauer erwartet? »In einem choreographierten Sprechtheaterabend wird die Zerrissenheit Berthas zwischen Anpassung und Widerstand, Selbstbestimmung und den Erwartungen der Gesellschaft, ihren liberalen Überzeugungen und dem Wunsch, diese mit der eigenen Religionsgemeinschaft sowie der damaligen deutschen Gesellschaft in Einklang zu bringen, sichtbar gemacht. Berthas Leben spiegelt ein Stück Frankfurter Stadtgeschichte wider und steht für die Befreiung aus gesellschaftlichen Zwängen, den Kampf gegen Frauenhandel und die Bedeutung von Sprache und Ausdruck für die Heilung.«
Mariann Yar, Judith Altmeyer spielen, für Kostüme, Bühne, Licht ist Maylin Habig verantwortlich, Nils Wildegans für die Choreografie. Aufführungen am: 28.,29., und 30.11., sowie am 5.,6.,7.12. , jeweils 20 Uhr. Im Produktionshaus Naxos, solidarisches Preissystem, am 29.11. Nachbesprechung, am 6.12. Diskussion zu Female Jewish Empowerment.
