17. goEast – Schlussbericht

Am Ende herrschte eine prächtige Stimmung. Bei der Preisverleihung schwärmte die lettische Regisseurin Laila Pakalnina, die der fünfköpfigen Jury vorstand, vom Rheingauer Riesling, der für sie untrennbar mit dem Wiesbadener Festival des mittel- und osteuropäischen Films verbunden bleibe. Wie auch generell bei den Gästen aus dem östlichen Europa eine aufgeräumte, wohlgemute Stimmung herrschte, die prompt vom Vertreter der Landesregierung, dem Staatssekretär Ingmar Jung, aufgegriffen wurde. Das Filmfest goEast ist ja ein Vorzeigeprojekt der hessischen Landesregierung und ein die Teilnehmer zufrieden stellender Verlauf somit eine krönende Bestätigung, auf dem richtigen Weg zu sein.

Welch ein Gegensatz zu den meisten Filmen, die auf der Leinwand zu sehen waren! Denn dort dominierten die düsteren Sujets, da war ein richtiger Weg schwer zu finden. Ganz besonders hatten die Frauen zu leiden – ihnen war das Festival gewidmet.

In »Requiem für Frau J.«, dem mit der Goldenen Lilie für den Besten Film ausgezeichneten Drama, plant eine Witwe, sich genau ein Jahr nach dem Tod ihres Mannes zu erschießen. Die Witwe Gospodja J., die von Mirjana Karanovic (»Underground«) eindrucksvoll dargestellt wird, lebt in einem Drei-Generationen-Haushalt, in dem es offenbar keinem einfällt, einmal richtig aufzuräumen. Kleidungsstücke und sonstige Gebrauchsgegenstände liegen in der ganzen Wohnung herum, und keinen scheint die Unordnung zu stören. Entsprechend lieblos ist auch der Umgang der Bewohner miteinander, aber ist das ein Grund, sich das Leben zu nehmen? Vielleicht vermisst sie ihren Ehemann. Aber eine so unzeitgemäße Erklärung vermeidet der serbische Regisseur Bojan Vuletic, der das Problem von Frau J. als ein gesellschaftliches darstellt. Glaubt man dem Programmheft, so stellt der Film dar, welchen Preis »die Seele zahlt, wenn eine Welt zusammengebrochen ist und die neue Ordnung Menschen zu Randfiguren degradiert«.

Mirjana Karanovics eigenes Regiedebüt »Eine gute Ehefrau« überzeugte mit einer sehr persönlichen Geschichte. In dem Film, der in einer Nebensektion zu sehen war, spielt die Serbin eine Frau, die herausfindet, dass ihr Ehemann an Kriegsverbrechen in Bosnien beteiligt war. Zudem muss sie eine Brustkrebs-Diagnose verarbeiten. Der Film zählt zu den großen kinematografischen Frauenporträts der letzten Jahre und sollte auch von einem Verleih hierzulande herausgebracht werden.

Den hat das georgische Drama »Meine glückliche Familie« von dem Autorengespann Nana & Simon, das für die Beste Regie ausgezeichnet wurde, schon gefunden. Der Film, der bereits Anfang des Jahres auf dem Sundance Film Festival und auf der Berlinale gelaufen ist, soll im Sommer in die Kinos kommen. In ihm wird die Hauptfigur nicht von der häuslichen Tristesse bedrängt, sondern von einem Übermaß an ungezügelten Emotionen, denen wiederum drei egozentrische Generationen freien Lauf lassen. Schwer ist es, dabei einen klaren Gedanken zu fassen, und leicht ist es für uns, die Sehnsucht der genervten Manana (Ia Shugliashvili) nach einer ruhigen Bleibe nachzuvollziehen. Nana Ekvtimishvili und Simon Gross haben aus Mananas Absetzbewegung ein Familiendrama mit ironischen Untertönen gemacht, in dem keine Person denunziert wird und sogar Mananas Ehemann Soso (Merab Ninidze) Sympathien verdient.

In der Sonntagsmatinee stellte Agnieszka Holland ihren auf der Berlinale mit dem Silbernen Bären prämierten Film »Spur« vor. Das Symposium befasste sich mit den Filmemacherinnen aus Mittel- und Osteuropa. Und Márta Mészáros erschien zu der Retrospektive, die ihre Filme in klassisch-analoger 35mm-Projektion vorführte. Mit ihr, die für »Adoption« 1975 auf der Berlinale den Goldenen Bären gewann, ehrte das Festival dann auch eine Pionierin des europäischen Nachkriegskinos.

Claus Wecker (Foto: Meine glückliche Familie)

 

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