Es ist kein sehr nahrhafter Boden, auf dem Ephraim Cabot seine Farm betreibt. Trotzdem hat er Ertragreiches daraus gezogen. Am liebsten würde der Geizhals deshalb selbst dann nichts davon abgeben, wenn er irgendwann einmal sterben sollte. Eher würde er das Anwesen verbrennen, als es seinen drei Söhnen zu hinterlassen. Die haben die tägliche Schweißarbeit gründlich satt. Die beiden älteren Sprösslinge, Simeon und Peter, träumen davon, dorthin auszuwandern, wo sie sich Reichtum versprechen. Der jüngere Eben, von einer anderen Mutter stammend, versucht sie loszuwerden, um sich selbst den Besitz unter den Nagel zu reißen. Da funkt die Hochzeit des Vaters mit einer nicht minder hungrigen neuen Frau dazwischen.
Eugene O’Neills Bühnenwerk »Desire: Gier unter Ulmen« von 1924 wird wie die anderen Stücke des ersten amerikanischen Literaturnobelpreisträgers nur noch selten gespielt. Auch Gordon Kämmerer gibt zu, dass er das an eine griechische Tragödie erinnernde Drama vor Jahren noch »als irrelevant abgetan« hätte. Doch jetzt hat er es für die Kammerspiele des Darmstädter Staatstheaters inszeniert. Er habe es »in die Dystopie unserer postdigitalen Gegenwart versetzt«, heißt es im Programmheft. Die Felder der Cabots stünden für »eine digitale Wüste, eine unendliche Datenfarm«. Aus der einstündigen Aufführung heraus erklärt sich das allerdings nicht.
Simeon (Niklas Herzberg) und Peter (Sebastian Schulze) sitzen zu Beginn in hellen Arbeitsanzügen auf den Steinen, von denen immer wieder die Rede sein wird. Wie bei den anderen Familienmitgliedern sind ihre Gesichter weiß geschminkt. Einige der grauen Brocken um sie herum kurven wie Saugroboter über die Bühne. Der Raum, in dem die Geschwister sich befinden, besteht, von Paula Wellmann gebaut, aus lauter grünen Rechtecken, die im Dunkeln wie Goldnuggets funkeln. »Rübermachen« in den Westen, so umschreibt der Erzeuger der beiden später irritierend ihre Träume, was auf eine sehr analoge Handlungszeit in der Vergangenheit hindeutet.
Die Protagonisten wirken wie Karikaturen, was nicht zuletzt an ihrer vom Regisseur selbst entworfenen Kleidung liegt. Cabot (Jörn Zirnstein) trägt Cowboystiefel zum Kimono, Eben (Aron Eichhorn) sieht mit Pagenschnitt, strengem Oberteil und Halstuch aus wie eine jüngere Version von Ex-Kanzlerin Angela Merkel. Allein die neue starke Frau im Haus, Abbie (Emily Klinge), scheint direkt von einem Countryfestival zu kommen, wo sie auf Männerfang war, mit Jeansshorts, knappem Oberteil und kniehohen roten Stiefeln.
Das Drama nimmt seinen Lauf. Was sich im Inneren der klaustrophobischen Unterkunft abspielt, lässt sich auf Videoprojektionen auf beiden Seiten der zusammengestauchten Spielfläche verfolgen. Tiefergehendes sucht man jedoch vergeblich. Eher scheint es, als wolle sich Kämmerer mit seiner irrwitzigen Darstellung des Geschehens die ganze Zeit über lustig machen über die Erzählung. Dass Ebens verstorbene Mutter (Ingeborg Blessing) als verschleierte Königin mit Krakenarmen unterm Kleid in Erscheinung tritt und die Cops, die nach dem finalen Mord herbeigerufen werden, sich als monströse Bestien erweisen, nährt nicht unbedingt eine Erklärung dafür, was uns diese absurde Version der Geschichte an Neuem sagen wollte.
»Desire: Gier unter Ulmen« am Staatstheater Darmstadt
