So viele potentielle »Gefährder« sollen sich derzeit (Stand: 22. November) in Deutschland herumtreiben. Also Leute, die nach Ansicht beziehungsweise Erkenntnissen unserer Sicherheitsorgane willens und möglicherweise sogar in der Lage sind, auch in unserem Land einen IS-gesteuerten Terroranschlag durchzuführen. Inwieweit es sich hierbei ausschließlich um Männer handelt, wie die Verwendung der Masku-linform des Begriffs andeutet, ist nicht ganz klar. Dafür spricht, dass ja schließlich nur männlichen Dschihadisten die Erfüllung im Paradies in Gestalt von 72 Jungfrauen versprochen wird, während die Mädels mal wieder leer ausgehen. Eine im Übrigen in der Islamwissenschaft umstrittene Auslegung der entsprechenden Koranverse. Kann aber auch sein, dass sich bei den Sicherheitsbehörden der gendermäßig korrekte Sprachgebrauch noch nicht durchgesetzt hat: »Gefährdende« würde ja auch die Gefährder»innen« mit einschließen.
Überhaupt: mit der sprachlichen Korrektheit ist das so eine Sache. Statt »liebe Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen« führt ein »liebe Mitarbeitende« zu deutlichem Zeit- und Platzgewinn. Schlecht haben es nur die Gewerkschafter, die bei den Kollegen und den Kolleginnen nur sehr holprig auf die Kollegenden ausweichen können. Angefangen hatte das ja mit dem Lehrling, denn diese »ling«-Worte sind, wie uns auch der Duden nochmal eindringlich erläutert, grundsätzlich maskulin. Lehrlingin hat sich irgendwie nie durchgesetzt, also haben wir die Auszubildende und den Auszubildenden bekommen. In der mehrheitlichen Ansprache, also z.B. in der Anrede bei der Abschlussfeier, konnte somit das äußerst ökonomische »liebe Auszubildende« ohne jegliche Geschlechterdiskriminierung verwendet werden. Zwar schienen die »lieben Lehrlinge« auch die weiblichen Ausbildenden einzuschliessen, aber streng nach Duden durften sich eben nur die Jungs angesprochen fühlen.
Nachdem nun dieser Geschlechterungerechtigkeit erfolgreich der Kampf angesagt worden war, ging die Suche nach anderen sprachlichen Ungerechtigkeiten weiter. Die Studenten und Studentinnen kamen dann als nächstes dran und wurden zu Studierenden – genial. Bei den Schülern und Schülerinnen ist den Sprachökonomen allerdings noch nichts ähnlich Geniales eingefallen. Im Zuge der steigenden Zahl von Menschen, die aus anderen Ländern bei uns Zuflucht suchen, wurde auch das Wort »Flüchtling« auf den Prüfstand gestellt. Auch wenn die Mehrheit junge Männer waren bzw. immer noch sind, schloss der Begriff doch die flüchtenden Frauen und Mädchen streng nach Duden aus. Mal abgesehen von der sprachlichen Ungenauigkeit hinsichtlich des aktuellen Fluchtzustands. Und so haben wir jetzt eben die »Flüchtenden«, also die, die sich aktuell noch im Stadium des Flüchtens befinden, und die »Geflüchteten«. Das sind dann die, die am Ziel angekommen sind. Damit haben wir nun die Fluchtproblematik zumindest mal sprachlich in den Griff bekommen.
Wenn also der Duden Recht hat, dass Worte mit »ling« am Ende grundsätzlich maskulin sind, dann steht uns noch eine Menge Arbeit bevor. Nun, der Günstling wird nicht mehr so häufig verwendet, aber wie sieht es mit dem (sic!) Liebling aus? Muss man sich ja nur mal in der entsprechenden Situation des Wortgebrauchs vorstellen. Oder mit dem Zwilling (inklusive Drilling und Vierling) oder gar dem Frühling?
Ihr seht, liebe Lesende, wir können uns über gar viele unnütze Dinge noch unnützere Gedanken machen. Aber immerhin hat es mich von den Gefährdenden vom Anfang meiner Kolumne weggebracht, zu denen mir ebenso wie all den schlauen Teilnehmenden der derzeit Hochkonjunktur habenden Talkshows nichts wirklich Schlaues einfällt.