Glück gehabt (88)

Nicht so sehr geehrte Frauke Petry,
gar nicht geehrter Bernd Höcke (ja, ja, ich weiß, er heißt eigentlich Björn, nicht wahr lieber Oliver Welke),
kaum geehrter Alexander Gau-Land,

Sie und alle Ihre Mitstreiter und die entsprechenden –innen haben sich große Verdienste erworben. Und das vor allem mit ihrer Geburt. Womit wir schon den ersten Punkt haben, für den Sie eigentlich nichts selbst geleistet haben, der einfach so über Sie gekommen ist, weil zwei Menschen bei einem – hoffentlich – lustvollen Zusammensein Sperma und Eizelle zusammenbrachten. Ihr nächster großer Verdienst, zu dem Sie nichts, aber auch gar nichts beigetragen haben, ist die Tatsache – oder sollte ich lieber von Zufall sprechen -, dass Sie in deutschen Landen, sozusagen auf deutscher Ackerkrume geboren wurden und dadurch das fragwürdige Prädikat des Biodeutschen erworben zu haben glauben. Und das, so scheint Ihr fester Glaube zu sein, macht Sie per se zu besseren Menschen. Zu Menschen, die darüber entscheiden können, wer gut, besser oder schlechter leben darf. Und da das Ganze ja noch in einem christianisierten Umfeld stattgefunden hat, muss es göttlicher, besser christgöttlicher Wille gewesen sein, Ihnen dieses Entscheidungsrecht in die Wiege gelegt zu haben.

Nun stellen wir uns doch mal vor, Sie, Herr Höcke, wären statt im westfälischen Lünen als Anwar Ben Hocke im syrischen Homs oder Aleppo geboren und aufgewachsen. So ganz zufällig, so ganz gottgewollt, welcher Fraktion dieser auch immer zugeordnet sein mag. Um Sie herum wird geschossen, viele Ihrer Freunde und Verwandten sind tot, ihre Kinder können nicht auf die Straße, Essen, Wasser, Strom gibt es, wenn überhaupt, nur unregelmäßig. Und da reift in Ihnen der Gedanke weg zu gehen. Zu gehen in ein Land, das frei von Granaten, Hunger und Elend ist und Ihren Kindern Sicherheit bietet. Und nach beschwerlicher und gefährlicher Flucht landen Sie in Dresden – nur so als Beispiel. Und sie klopfen an die Tür der dämonisch schönen Frauke. Die aber macht Ihnen unmissverständlich klar, dass nun aber Ende der Fahnenstange sei, Schluss mit der Überfremdung. Geh heim und warte drauf, dass wir euch helfen, die Fluchtursachen zu bekämpfen.

Gell, Herr Höcke, das würde Sie ungemein beruhigen, das sehen Sie ein, auch wenn es Ihrem Weltbild nicht entspricht, von einer Frau gesagt zu bekommen, wo es lang geht. Und Sie machen sich umgehend zurück in Ihre zerbombte Heimat oder ein komfortables Flüchtlingslager im Libanon oder der Türkei. Denn das wollen Sie ja nun wirklich nicht, den geschundenen Deutschen zur Last fallen, Ihnen womöglich mit Ihrem »falschen« Glauben die gewachsene Wertestruktur unterwandern und zerstören. Aber Gott (und eben nicht Allah) sei Dank, ist das ja alles nur ein konstruierter Albtraum. Und so können Sie sich, Herr Höcke zusammen mit Ihren Kumpanen zufrieden und selbstgefällig zurücklehnen in dem Bewusstsein, die Retter abendländischer Kultur zu sein. Dass Ihre Großeltern auch einmal Flüchtlinge waren, werden Sie gewiss empört zurückweisen, denn sie waren »Vertriebene«. Das macht wahrlich einen Riesenunterschied. Vertrieben zu werden ist Zwang, zu flüchten ist eigene Entscheidung.

Oder?

Mit überhaupt nicht freundlichen Grüßen

Jochen Vielhauer

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