Ja, wir brauchen Obergrenzen. Da gibt es einmal diese Dumpfbacken, die meistens montags aber auch an anderen Tagen gegen die Lügenpresse, Flüchtlinge, Asylsuchende und alle sonstigen missliebigen Einrichtungen und Personen auf die Straße ziehen. Da brauchen wir eigentlich sogar mehr als eine Obergrenze, da ist die braune Null angesagt. Obergrenzen als Zeichen der Grenzen einer Belastbarkeit sind in unserem Alltag vielfältig angesagt. Sehen wir uns doch mal die Einfallstraßen deutscher Großstädte am frühen Werktagmorgen an. Meist nur eine Person mit fünf Quadratmetern blechernem Platzverbrauch bringt den Pendlerverkehr allmorgendlich an die Grenzen der Belastbarkeit. Forderung nach einer Obergrenze für einpendelnde Kraftfahrzeuge durch die vor allem bajuwarischen Grenzzieher? Fehlanzeige.
Bleiben wir gleich in unseren Großstädten, sofern wir die Miete noch bezahlen können. Denn für die eine Obergrenze zu fordern, würde dem Geldbeutel der meisten Stadtbewohner ziemlich guttun. Aber das würde ja unserem freiheitlich-marktwirtschaftlichen Prinzip widersprechen. Vorstellbar wären auch Obergrenzen für leerstehenden Wohnraum, wobei hier sicherlich eine äußerst niedrige Grenze angesetzt werden müsste. Wie viele parkende Autos verkraften unsere Straßen? Nehmen wir mal ein typisches fünfgeschossiges Frankfurter Nordendhaus und stellen uns vor, zu jedem Stockwerk gäbe es ein Auto. Vorm eigenen Haus ist aber nur Platz für zweieinhalb Autos (oder drei, wenn zwei Parteien einen Smart haben). Klappt also nur, wenn ich anderen ihren Platz wegnehme. Gibt es eigentlich ein Menschenrecht oder ein Grundrecht darauf, sein Auto im öffentlichen Raum zu parken? Wer aber hier Obergrenzen ins Spiel brächte, würde sicherlich umgehend zum Freiheitsbeschränker erklärt, der seinen Mitmenschen Vorschriften für ihre individuelle Lebensgestaltung machen will.
Obergrenzen könnte man sich auch beim Einkommen einiger Menschen vorstellen. Wenn 62 Superreiche so viel besitzen wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung, also ca. 3,5 Milliarden Menschen, und wenn ein Prozent mehr besitzt als 40 Prozent der Menschheit, dann wäre die Diskussion über eine Obergrenze jenseits der Neiddebatte. Die wird einem möglicherweise unterstellt, wenn man neiderfüllt auf ein siebenstelliges Jahresgehalt eines Konzernchefs blickt. Wer diese Zahlen schulterzuckend zur Kenntnis nimmt, darf sich über die immer größer werdende Zahl von Menschen, die aus den Krisen- und Kriegsgebieten und den Armutsregionen flüchten, nicht wundern.
Ja, wir brauchen sie, die Obergrenzen, sehr dringend sogar. In allen möglichen Bereichen unseres Lebens. Eine Obergrenze des Energieverbrauchs, eine Obergrenze der Überzuckerung unserer Lebensmittel, eine Obergrenze der Schwemme überflüssiger Medikamente, der eigentlichen Drogengefahr, eine Obergrenze für die Überschwemmung der »sozialen« Medien mit Hasstiraden. Es gibt keine Obergrenze für die Phantasie, wo man sie überall gebrauchen könnte. Am wenigsten aber dort, wo Menschen in Not und Gefahr sind. Da brauchen wir eine Obergrenze für verantwortungslose Scharfmacher. Hoffen wir, dass die Kommunalwahl in Frankfurt am 6. März ihnen diese Grenze zumindest schon mal in dieser Stadt aufzeigt.