Hervorragend kuratiert: »Sheroes. Comic Art from Africa« im Museum für Weltkulturen

Eine fröhliche Lektion im Hinsehen erteilt mal wieder das Museum für Weltkulturen in seiner neuesten Ausstellung »Sheroes. Comic Art from Africa«. Darin stellt sie Künstler*innen aus Ghana, Uganda, Madagaskar, Äthiopien, dem Senegal, Kenia und dem Kamerun vor, die dem klassischen Comic-Helden – weiß, männlich, laut – mit ihrer weiblichen Perspektive – farbig, witzig, stark, charmant und naturverbunden – etwas Substanzielles entgegensetzen – neue Identifikationsangebote nämlich.
In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Comic-Szene in Afrika enorm entwickelt. Der Markt ist groß. Die Künstlerinnen vernetzen sich auf Plattformen, veranstalten erfolgreiche Festivals, so die Kuratorin Julia Friedel. Das Medium lädt zur gesellschaftlichen Teilhabe ein, sagt sie, und wer wissen möchte, was ein junges Publikum bewegt, findet hier seine Antworten. Die Comics spiegeln kulturelle Bezüge, politische Realitäten, bewegen sich auf dem Terrain des self empowerment, reflektieren koloniale Kontexte, entwerfen Zukunftsmodelle, erobern die Räume von Fantasy, verknüpfen sie mit lokalen Geistern. Ja, das geht!
Doch oberstes Ziel sei es, so formuliert es Joëlle Épée Mandengue aus Kamerun/Guinea, sich zu verbinden, den Dialog zu suchen, Kommunikation ist existenziell, sonst läuft es nicht in der Welt. Dieses Thema umkreist ihr Comic, den sie als Tagebuch angelegt hat und darin ihre Begegnungen als Studentin in Belgien aufgreift. Sie ist eine der 15 Künstler*innen, die die Räume des Museums auf ihre unterschiedlichste Art beleben und die Julia Friedel ebenso weise präsentiert: jede Einzelne hat ihre eigene Audiostation mit einem Interview und Videos und Texten zu ihrer Biografie. Von der Decke baumeln Spruchblasen mit charakteristischen Zitaten. Hier wird nicht etwas kommentiert, hier wird befragt. Eine so leise und doch so überzeugende Idee.
Nein, wir werden nicht mit den jeweiligen Lebensumständen konfrontiert, besonders nicht mit denen, die ihre Queerness ausleben. Sie sind es, und fertig. Die aus Kamerun stammende Drehbuchautorin, Illustratorin und Verlagsgründerin Reine Dibussi stellt in »Cindy & Zoa« eine lesbische Liebesgeschichte vor, die sich in 14 Kapiteln ganz aus dem Alltag nährt. Die LGBTQ+-Community in Afrika sei groß, sagt sie, und es sei wichtig, auch auf künstlerischem Gebiet einen Ausdruck zu finden, ihre Geschichten zu erzählen. In ihrer Heimat freilich geht das nicht, sie publiziert in Frankreich.
Sich bewusst der Welt der Fantasy bedienen, dazu haben sich andere Zeichner*innen und Illustrator*innen entschieden. Obwohl – was heißt hier Fantasy? Spiritualität kann sehr wohl auch Fantasy erzeugen, beispielsweise wenn eine Heldin gleichzeitig Heilende ist und mit ihren eigenen übernatürlichen Kräften die Erde rettet wie die junge Göttin Kuju in dem Animationsfilm »Enkai« von Ng‘endo Mukii aus Kenia. Die in Boston lebende Professorin, Drehbuchautorin und Regisseurin hat sie erfunden, Disney+ hat den Film produziert.
Auch die aus Ghana stammende Schriftstellerin und Multimedia- Künstlerin Akosua Hanson beschreitet diesen ideellen Weg. Sie hat ganz wunderbare »Moongirls« entworfen, die als grimmige, mächtige, schöne lilarote Meerjungfrauen das vielfältige Pflanzen- und Tierleben der dunkelblauen Ozeane verteidigen.
Mit einer ganz anderen und in dieser Stringenz auffälligen Form nähert sich die Illustratorin Charity Atukunda aus Uganda dem Thema der Umweltzerstörung in ihrer Graphic Novel »The Strange Tree«. Nicht bunt, nicht poppig, nicht auffällig, sondern in feinen Schwarz-Weiß-Zeichnungen erzählt sie die Geschichte der Wissenschaftlerin Mwezi, die auf die einst so schöne, jetzt zerstörte Erde fliegt um zu erfahren, ob man dort noch leben kann, die Luft atmen, die Sonne sehen?
Dies sind nur einige Geschichten, die hier aufgeblättert werden. Es ist eine schöne, wilde, pop-bunte Welt voller Lebendigkeit und politischer Reflektion, eine, die man unbedingt kennenlernen sollte: die Botschaften der so genannten Alltagskunst, unverschlüsselt.

Susanne Asal / Foto: Installationsansicht Elyon 2014, © Wolfgang Günzel
Bis 30. August 2026: Di., Do.–So., 11–18 Uhr, Mi., 11–20 Uhr,
www.weltkulturenmuseum.de

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