»Hollywoodgate – Ein Jahr unter den Taliban« von Ibrahim Nash‘at

»Wenn seine Absichten schlecht sind, stirbt er bald«, heißt es in diesem spektakulären Dokumentarfilm über das erste Jahr der Taliban-Herrschaft nach der Rückeroberung Kabuls am 31. August 2021. Aus Sicherheitsgründen blieb der Regisseur Ibrahim Nash’at auch im Verborgenen, als der Film 2023 genau am zweiten Jahrestag bei den Filmfestspielen von Venedig seine Premiere bekam.

Dass der Film erst jetzt, also zwei Jahre später, auf die Leinwände der hiesigen Arthouse-Kinos kommt, wirft kein gutes Licht auf die Überlegungen, die sich Verleih- und Kinobranche zum Interesse des Publikums hierzulande gemacht haben dürfte.
Dabei sollte das unrühmliche Ende des militärischen Eingriffs der US-Army und der NATO in Afghanistan ist bis heute nicht vergessen sein. Wegen des Versagens deutscher offizieller Stellen, die alle FAZ- und NZZ-Prognosen eines schnellen Zusammenbruchs der protegierten afghanischen Regierung nicht ernst genommen hatten, warten heute noch in Pakistan afghanische Ortskräfte der Bundeswehr auf ihre Aufnahme in Deutschland.
Auch für das amerikanische Militär ging der Vormarsch der Taliban so schnell, dass sie in Zeitnot geriet und militärische Ausrüstung zurückließ, deren Wert das Pentagon auf über 7,2 Milliarden US-Dollar geschätzt hat.
Der in Ägypten aufgewachsene Filmemacher Ibrahim Nash’at, der für die Deutsche Welle, Al Jazeera und Voice of America hochrangige Politiker im Nahen und Mittleren Osten gefilmt hatte, machte sich das Vertrauen der Taliban zunutze und wagte, mit der Kamera auf der Schulter ihre Machtübernahme zu filmen.
Besonders eindrucksvoll ist in seiner Dokumentation das Eindringen der Kämpfer in Hollywood Gate zu sehen, einen verlassenen Stützpunkt des Geheimdienstes CIA. Mit einer Mischung aus Erstaunen und Bewunderung betreten sie die Überreste einer fremden Welt, deren Vertreter sie gerade aus dem Land vertrieben haben. Im Kühlschrank sind noch die alkoholischen Getränke zu sehen (sogar eine Flasche Jägermeister) und der Hinweis, dass das Bier bezahlt werden soll. Sie sind unsicher, welche Dinge zu welchem Zweck dienten, und fragen sich auch immer wieder, ob ihr Begleiter ihre Entdeckungen filmen darf.
Nash’at arbeitet nach einer simplen Devise: Wenn ich kein Verbot bekomme – hier bedeutet dies eine Hand vor die Linse und ein barscher Stop-Befehl – filme ich behutsam. Und insgesamt schätzt er gut ein, wie weit er gehen kann, ohne sich zu gefährden.
So verfolgt er die Entwicklung von der Partisanenübernahme zu einer sich etablierenden Militärmacht mit dem Besuch des russischen Botschafters zur Ein-Jahr-Feier. Auch das amerikanische Fluggerät, das massiv beschädigt zurückgelassen wurde, ist für den Einsatz wiederhergestellt worden, und die schnell ausgebildeten Piloten sind hoch angesehen.
Natürlich besitzt auch »Hollywoodgate« den Anspruch eines jeden Dokumentarfilms auf Wahrhaftigkeit. Wenn auch in Ansprachen von der nun erlangten Freiheit die Rede ist, kann man immer wieder die unsichere Lage spüren, die in wiederholten Todesdrohungen gegen Feinde des Islamischen Emirats Afghanistan zum Ausdruck kommen. So wird die Gefährlichkeit des Systems wenigstens indirekt deutlich.
Ibrahim Nash’at erklärt am Ende seine Intention und kommentiert das Ergebnis: »Was ich zeigen wollte, ist, was ich gesehen habe. Weil ich die Kamera hielt, hielt man mich fern vom täglichen Leid der Afghanen … Hinter all den Toren, die ich durchschritt, kam ich nie an der Tatsache vorbei, und das ist die obszöne Macht derer, die den Krieg anbeten, und der Schmerz, den er verursacht, für Generationen.«

Claus Wecker / Foto: © CineGlobal Filmverleih
>>> TRAILER
Hollywoodgate – Ein Jahr unter den Taliban
von Ibrahim Nash’at, D/USA 2023, 92 Min.
Dokumentarfilm
Start: 14.08.2025

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