Da feiert es wieder fröhliche Urständ, das deutsche Gutmenschentum, mit dem wir dann auch gleich mal unsere Überlegenheit, aus der Geschichte zu lernen, unter Beweis stellen können. Denn wir, die von den Killermonstern der Welt zu den europäischen Ghandis mutierten Vorzeigepazifisten, nutzen nahezu alle Finger unserer Hand, um auf die Waffennarren der Welt jenseits des großen Teiches zu deuten. Uns selbst, so hatte es der große deutsche Friedenspolitiker Franz-Josef Strauß dunnemals lautstark verkündet, solle ja die Hand abfallen, wenn wir jemals wieder ein Gewehr in dieselbe nehmen. Kopfschüttelnd nehmen wir zur Kenntnis, wie uneinsichtig sie doch sind, unsere amerikanischen Freunde. Überall kann man dort Waffen kaufen, selbst bei Walmart direkt neben der Spielzeugabteilung. Statistisch kommen auf 100 Einwohner in den USA 90 Waffen. Das ist ja unglaublich, ist doch in Deutschland die Waffendichte mit 30 auf Hundert bedeutend geringer. Aber nun mal ehrlich: hättet ihr gedacht, daß nach dieser Statistik jeder dritte Deutsche also eine Waffe haben müßte? Schaut euch um, wie viele Hände da in eurer Umgebung abfallen müßten.
Also kein Wunder, daß bei so ungehemmtem Waffenbesitz klarerweise auch ungehemmter Schußwaffengebrauch in den USA an der Tagesordnung ist. Immerhin mehr als 30.000 Menschen kommen jährlich in den Vereinigten Staaten durch Schußwaffengebrauch ums Leben. Das ist etwa die gleiche Zahl von Menschen, die dort durch Verkehrsunfälle ihr Leben verlieren. Da sind wir Mitteleuropäer in beiderlei Hinsicht, also was schußwaffen- und motorbedingte Tötungen angeht, statistisch gesehen deutlich zurückhaltender. Doch beim Anlaß der aufflammenden Diskussionen, nämlich den Amokläufen, sieht es hier dann auch nicht mehr so toll aus. Trotz unserer scharfen Waffengesetzgebung. Seit 2002 gab es in den USA 13 Amokläufe, in Deutschland sechs. Also grad die Hälfte bei knapp einem Viertel der Einwohner. Da scheint es wohl doch noch andere Gründe zu geben, als nur den Zugang zu Waffen. Und so führt denn möglicherweise die Waffendiskussion in den USA – so notwendig sie angesichts der oben erwähnten Zahlen ist – dazu, die Ursachenforschung des Täterverhaltens von Amokläufern allein auf den leichten und leichtfertigen Waffenbesitz zu reduzieren und damit die wahre Ursachenbekämpfung zu vermeiden.
Um nicht mißverstanden zu werden: Die nationale Waffennarretei in den USA ist mir zutiefst suspekt. Nie verstand ich wirklich unseren alten Freund Murray Bookchin, libertärer amerikanischer Sozialist und Anarchist, der den individuellen Waffenbesitz als hohes Gut der Bürger gegen einen möglicherweise sich autoritär entwickelnden Staat ansah. Und so gibt es denn im liberalen nordöstlichen Vermont (dem Staat, in dem Murray lebte) einen gleich hohen Anteil an Waffenbesitzern wie in Texas. Mit einem gravierenden Unterschied: Die Mordrate in Texas ist 18mal höher. Also scheinen auch hier noch ganz andere Faktoren eine Rolle zu spielen. Hoffentlich nicht gerade der, daß der deutsche Einwandereranteil in Texas mit der Höchste ist. Der deutsche Export an Handfeuerwaffen in die USA ist zumindest gleich hinter Österreich mit seinen Glock-Pistolen an zweiter Stelle. Deutsche Qualitätsarbeit und Zuverlässigkeit bei handgerechten Tötungsapparaturen wird drüben sehr geschätzt. Da sollte uns bei so viel Selbstgerechtigkeit dann doch schon mal die eine oder andere Hand abfallen.