»Maria Reiche: Das Geheimnis der Nazca-Linien« von Damian Dorsaz

Wie mit Kreide aufgemalt erstrecken sich auf der peruanischen Nazca-Hochebene gigantische präkolumbianische Bodenzeichnungen, deren Bedeutung immer noch nicht entschlüsselt ist. Dieses Historiendrama ist die längst überfällige Würdigung der deutschen Archäologin Maria Reiche, die ihr Leben der Entdeckung, Vermessung und Erhaltung dieser rätselhaften Geoglyphen gewidmet hat.

Wüsten üben auf viele Menschen eine hypnotische Wirkung aus. Auch Mathematiklehrerin Maria Reiche, die sich unter Menschen eher unwohl fühlt, wird schon bei ihrem ersten Ausflug in die Wüste von Nazca von dieser gleißenden Mondlandschaft in Bann gezogen. Besonders die schnurgerade Linie auf dem Geröllboden, die sich vor ihr bis zum Horizont erstreckt, lässt sie nicht los. Und so beginnt ein Abenteuer, wie es kein Drehbuchautor hätte erfinden dürfen, weil viel zu verrückt. Beim Anblick dieses Historiendramas über die Forscherarbeit von Maria Reiche erscheint es tatsächlich seltsam, dass zuvor noch niemand auf die Idee gekommen war, diese unkonventionelle Heldin filmisch zu würdigen.
Nur knapp kommt zur Sprache, warum es die gebürtige Dresdnerin in den dreißiger Jahren in die peruanische Hauptstadt Lima verschlägt, wo sie unter anderem als Lehrerin arbeitet. Die Entwicklungen in Nazi-Deutschland, vielleicht auch die Beziehung zur Engländerin Amy Meredith, werden als Grund angedeutet. Sowohl die Politik wie die Liebe werden unwichtig, als Reiche als Assistentin eines Archäologen, der die präkolumbianische Nazca-Kultur erforscht, erstmals in der Nazca-Hochebene im Süden Perus steht. Die Archäologen interessieren sich jedoch nur für Artefakte wie Mumien, die sie an Museen verkaufen können. Jene Linien, die Reiche so faszinieren, halten sie für Überreste von Bewässerungssystemen.
Deshalb reist Reiche schließlich allein in die Pampa, schlägt neben der Hütte einer indigenen Familie ihr Zelt auf, und wandelt unermüdlich auf den Spuren jener untergegangenen Kultur. Bald bekannt als »Die Frau, die die Wüste fegt«, entdeckt und vermisst sie u.a. 50 Scharrbilder, riesige Bodenzeichnungen in der stilisierten Form etwa von Affen, Spinnen und Kolibris. Doch als Großgrundbesitzer das Land nutzen wollen, droht dem präkolumbianischen Bilderbuch die Zerstörung.
Im Film, gedreht an Originalschauplätzen, wird mit den Details von Reiches Forscherleben recht freihändig umgegangen. Der Fokus liegt weniger auf Faktenvermittlung als auf dem – meist geglückten – Versuch, diesen Ort, nachts von einem psychedelisch mit Sternen übersäten Himmel beleuchtet, sinnlich erfahrbar zu machen. Anfangs erscheint die Wüste wie eine mit Kreide beschriebene Tafel. Und wenn Reiche in den Geoglyphen einen nach Sternen ausgerichteten astronomischen Kalender zu erkennen glaubt, wird die Wüste zum Spiegel des Himmels.
Devrim Lingnau Islamoglu (die Sissi in der Serie »Die Kaiserin«) verkörpert die unorthodoxe Heldin, die unter primitivsten Bedingungen durch die Pampa wanderte und für die Erhaltung dieser Geoglyphen kämpfte, überzeugend als nerdig-sture Macherin. Leider ist nicht zu verstehen, warum in dieser Filmbio wichtige Informationen ausgespart werden – etwa, wie sehr die 1998 mit 95 Jahren in Lima verstorbene deutsche »Wüstenfegerin« in Peru bis heute verehrt wird. Es gibt z.B. einen Maria-Reiche-Nationalfeiertag, der Flughafen in der Stadt Nasca ist nach ihr benannt. Und die Nazca-Linien sind nicht nur eine Touristenattraktion, sondern zählen seit 1994 zum UNESCO-Welterbe.

Birgit Roschy / Fotos: © Tobis Film/Daniela Talavera
>>> TRAILER
Maria Reiche: Das Geheimnis der Nazca-Linien
von Damien Dorsaz, D/F 2025, ca100 Min.
mit Devrim Lingnau, Olivia Ross, Guillaume Gallienne
Drama
Start: 25.09.2025

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