Sharing, sharing lady (73)

Ja, auch sie hatten damals schon geteilt, der Thomas und der Dieter mit ihrem Erfolgsduo Modern Talking. Den Erfolg, den schlechten Geschmack, die Millionen. Teilen oder das einfache unentgeltliche Ausleihen gab’s ja eigentlich schon immer zwischen Verwandten, Freunden, Nachbarn. In den wilden sechziger und siebziger Jahren wurde das Teilen dann sogar politisch: man teilte große Altbauwohnungen mit anderen, Proteste gegen teure Nahverkehrstarife wurde von den Roten-Punkt-Aktionen begleitet. (Kurze Erläuterung für die nachgeborene Leserschaft: ein roter Punkt am Auto signalisierte, dass man bereit war, Fahrgäste mitzunehmen. Der erhoffte ökonomische Druck auf die Nahverkehrsunternehmen hielt sich aber in Grenzen, mangels genügend roter Punkte und williger Einsteiger).
Mit den Mitfahr- und Mitwohnzentralen der 80iger wurde dann das Teilen von Autos und Wohnung von freundlichen Mitmenschen organisiert, die für ihr caritatives Werk den einen oder anderen Groschen Vermittlungsprovision bekamen. Benzin- und Mietkosten wurden aufgeteilt. Das entgeltliche Ausleihen von Auto, Werkzeug etc. gab‘s ja eigentlich auch schon immer. Da damit ein Auto, ein Werkzeug von vielen benutzt werden konnte, war das ja auch eine Form von Teilen. Ebenso wie das Droschken- und Taxifahren. Ja, selbst der Transport in Bus, Bahn und Flugzeug oder die Unterbringung in Hotels und Pensionen ist ja letztlich eine Form des Teilens, bei der die Teilnehmenden sich an den Kosten beteiligen. Dass für die Bereitstellung des Teilungsguts oder die Organisation des Teilens Geld genommen wurde, war, bis auf vielleicht die Höhe des Entgelts, unstrittig. Und niemand kam auf die Idee, diese Teilungsformen als Ende des Kapitalismus oder gar als eine neue Form des Wirtschaftens auszugeben. Zwar gab es ja in den letzten 100 Jahren immer mal wieder den Versuch, Privateigentum ganz abzuschaffen und alles zu vergesellschaften, sozusagen die ultimative Teil- und Tauschgesellschaft, der ging dann aber doch kläglich in die Hose.
So waren und sind es dann letztlich doch wieder unsere amerikanischen Freunde, die dem Privateigentum ein effizientes Ende bereiten wollen. Sie proklamieren die Share Economy, in der mit Hilfe des Internets weltweite Tausch- und Ausleihbörsen aller Art geschaffen werden können. Ausgehend von den so vernünftigen Ideen wie der des Car Sharings oder der oben erwähnten Mitfahr- und Mitwohnorganisationen, wurde flugs ein weltumspannendes Geschäftsmodell entwickelt: Private Wohnungsbesitzer werden zu Amateurhoteliers, Autobesitzer zu Laientaxifahrern. Nun mag man trefflich drüber streiten, ob damit der Taxizunft oder den armen Hotelkonzernen ein unlauterer Konkurrenzkampf aufs Auge gedrückt wird. Richtig ist zumindest, dass gesetzliche Regularien, die nicht zuletzt den Fahr- und Schlafgästen ein gewisses Maß an Sicherheit verschaffen, durch diese neuen Modelle ausgehebelt werden und von daher der neuen Situation angepasst werden müssen. Da geht es den Betroffenen nicht anders als dem Einzelhandel, der sich auch mit den neuen Verkaufsformen übers Internet arrangieren musste. Wenn allerdings von den Protagonisten dieser neuen Sharing Modelle die Ideologie verbreitet wird, dass es hier ja mehr um das gegenseitige Kennenlernen und das solidarische Helfen geht als um das Geldverdienen, dann sollte der Spaß aufhören. Uber, das amerikanische Laientaxiunternehmen, und Co. haben knallharte ökonomische Interessen. Das ist nicht verwerflich, verwerflich ist, dass sie versuchen, sich einen rechtsfreien Raum zu schaffen zu Lasten der beteiligten Auto- oder Wohnungsbesitzer, die sich vom versprochenen Gewinn blenden lassen. Die vom Harvard Ökonomen definierte Share Economy, in der der Wohlstand sich für alle erhöht, je mehr unter den Marktteilnehmern geteilt wird, wird angesichts der ungleichen Gewinn- und Haftungsverteilung ad absurdum geführt. Nicht überall, wo Sharing drauf steht, ist auch Teilen drin.

Jochen Vielhauer

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