Zu den bescheuertsten Problemstellungen dieses Jahrzehnts gehört sicherlich nach dem Erforschen, wer denn Germanias next Topmodel oder sein Superstar werden wird, die Frage, ob denn der Islam zu Deutschland gehöre. Und aufgeklärt liberal und glaubenstolerant tönt es dann in unterschiedlichen Formulierungen, er sei »Teil Deutschlands und Europas« (Schäuble), er »gehört zu Deutschland« (Ex-Bundespräsident Christian Wulff) oder etwas verquerer der aktuelle Bundespräsident, der als evangelischer Ex-Pastor das mit der anderen Religion etwas zurückhaltender ausdrückt: »Muslime, die hier leben, gehören zu Deutschland.« Aua, so eine Aussage tut ja fast weh.
Dass in einer aufgeklärten westlichen Gesellschaft des 21. Jahrhunderts die Legitimität staatlicher oder nationaler Zugehörigkeit an das jeweilige Glaubensbekenntnis gebunden wird, ist grotesk und führt in seiner Konsequenz genau zu solchen gefährlichen Verirrungen der AfD, die in ihrem Programmentwurf den Islam für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt. Nun müsste ja konsequenterweise nahezu jede Religion, insbesondere die monotheistischen – allen voran die jüdische, christliche und die islamische, für eigentlich verfassungswidrig erklärt werden. Machen sie sich doch in ihrer Glaubens- und damit ja eigentlichen Lebensentscheidung von einem Alleinherrscher abhängig. Der weder gewählt noch abgewählt werden kann, ja der (natürlich mal wieder ein »der«) auch noch auf immer und ewig sein absolutistisches Amt innehat. Und der seine irdischen Anhänger Bücher schreiben lässt, die in unterschiedlich strenger Auslegung alles andere als freiheitlich-demokratische Werte vermitteln. Im Gegenteil: Intoleranz gegenüber Andersgläubigen, Frauenunterdrückung, Schwulenfeindlichkeit sind bestimmende Bestandteile dieser Werke. Und tatsächlich gibt es in jeder dieser drei monotheistischen Religionen Bekloppte, die das vor Jahrhunderten, ja Jahrtausenden geschrieben Zeugs wortwörlich nehmen.
Wäre alles nur halb so schlimm, kämen diese religiösen Auswüchse nicht Machtinteressen gelegen: Da ist ein Ted Cruz, der sich mit seinen radikalen Evangelikalen auf den Weg macht, »Führer der freien Welt« zu werden, gegen den ist ja Toupet-Trump ein Waisenknabe. Und da ist der Obertürke Erdogan, der Nationalismus und Religion so geschickt miteinander vermischt, dass jede Auseinandersetzung mit seiner Politik in den Augen gläubiger Moslems auch zur Auseinandersetzung mit dem Islam als türkischer Staatsidentität uminterpretiert wird. Die Islamfeindlichkeit der AfD spielt genau dieser Politik in die Hände. Religion braucht die Unabhängigkeit von der Politik, genauso wie Politik die Unabhängigkeit von der Religion braucht. Deswegen sollte auch keine Behörde eines anderen Staates hier auf Religionsgruppen einwirken können, wie es die türkische Religionsbehörde in Deutschland tut. Muslime sind keine Volksgruppe, keine Ethnie, sondern Angehörige einer Religion wie die Christen, Juden, Buddhisten und was es sonst noch in allen möglichen Glaubensvariationen gibt.
Gehört Yoga zu Deutschland? Eigentlich nicht, es ist ja schließlich von irgendwoher eingeschleppt worden, aber jeder und jede darf’s tun, wie er/sie es will. Gehört das Christentum zu Deutschland? Hm … ist ja auch aus fernen Gegenden eingeschleppt worden und hat unserem Wotan, der Edda und dem Thor den Garaus gemacht. Aber wem’s gefällt. Hauptsache, die Kirchenglocken und Muezzine halten sich an die Lärmschutzauflagen.