80 Jahre Wenders in Motion – Zur Ausstellung »W.I.M. – Die Kunst des Sehens« in Bonn

Wim Wenders ist einer der angesehensten deutschen Filmemacher. Deshalb hat die Bonner Bundeskunsthalle seinen 80. Geburtstag zum Anlass genommen, einen umfangreichen Überblick über sein Werk zusammenzustellen. Dabei stellt sich heraus, dass der Filmregisseur auch als Zeichner, Maler und Fotograf ein beeindruckendes Gesamtkunstwerk geschaffen hat.

Am 14. August 1945 im zerbombten Düsseldorf geboren und vier Jahre später ins ebenfalls stark zerstörte Oberhausen umgezogen, sucht der junge Wim anregende Bilder in der Malerei, in den Kunstdrucken im Elternhaus. Ein Maler will er werden.
Der Vater schenkt dem 12-Jährigen eine 8mm-Kamera und ermuntert ihn zu eigenen kleinen Filmen. Es bleibt nicht beim Blick auf die Schornsteine vor dem Fenster oder auf die Eltern, der Junge versucht sich mit Schulfreunden auch an einem Gangsterfilm.
So entdeckt er den Film »als Fortführung der Malerei mit anderen Mitteln«. Ein Studium bricht er ab und zieht 1966 nach Paris. Er wird Stammbesucher der Cinémathèque, wo auch die Regisseure der Nouvelle Vague ihre Filmkenntnisse erworben haben. Als er erfährt, dass in München eine Filmhochschule, die HFF, gegründet wurde, bewirbt er sich, wird aufgenommen und gehört 1967 zum ersten Studentenjahrgang.
Die ganze Vorgeschichte könnte nicht das Phänomen Wenders erklären, wenn nicht sein Sinn für Qualität und seine innere Haltung zur künstlerischen Arbeit hinzukämen. Jan Vermeer, Caspar David Friedrich, Wassily Kandinsky, Paul Klee sind seine Vorbilder. Einen kleinen 3D-Film, der von Edward Hopper inspiriert ist, hat er eigens für die Ausstellung produziert. »Alle großen Maler lehren uns zu sehen«, wird er an einer Wand zitiert.
Wenders erkennt das Besondere, das Charakteristische. Das sucht er beständig an wechselnden Orten, und er versteht sich mehr als einen Reisenden denn als einen Filmemacher. So heißt er auch scherzhaft Wenders in Motion – W.I.M. eben, und deshalb ist das Roadmovie sein spezielles Genre und »Im Lauf der Zeit« sein bester Film.
Die Ausstellung stellt aber einen anderen, vermutlich seinen bekanntesten in den Mittelpunkt: »Der Himmel über Berlin«. Beide Werke thematisieren die deutsche Teilung, an der innerdeutschen Grenze der eine und an der Berliner Mauer der andere. Beide zeigen eine Welt, die es nicht mehr gibt, und deshalb sind sie heute besonders interessant – auch wenn es gegen den verstiegenen Peter-Handke-Text des Berlin-Films berechtigte Einwände gibt.
Engel kommen ins Spiel. Sie tauchen oft in den Versen von Rainer Maria Rilke, einem Lieblingsdichter des Regisseurs, auf, und Wenders gibt ihnen eine klare Bedeutung: »Für mich waren Engel vor allem eine Metapher für den besseren Menschen, den wir in uns tragen und der wir oft so gerne wären, nämlich das Kind in uns.« Generell lässt sich über Wenders’ Filme sagen: Keiner von ihnen ist überflüssig, sogar die weniger gelungenen.
Seine innere Einstellung verbindet ihn mit Yasujiro Ozu, dem besten japanischen Regisseur, der tot ist, als Wenders seine Filme entdeckt. Ozu, der den Zweiten Weltkrieg erlebt hat, steht für ein klassisches Kino der Versöhnung. Wenders hingegen experimentiert, sucht ständig Neues, filmt in den USA, ist dort von der industriellen Produktion angewidert, kommt nach Japan, wo er nach Ozus Spuren sucht. Doch in ihrer humanistischen Einstellungen gleichen die beiden Regisseure einander und in ihrem Gefühl für den richtigen Einsatz der Filmmusik, mit der Wenders immer wieder positiv zu überraschen weiß.
Einen immersiven Raum mit acht Meter hohen Wänden – die Besucher können sich auf den Boden legen oder auf Sitzkissen den Rundumblick genießen – hat Wenders als Höhepunkt für die Bonner Ausstellung geschaffen. Zu sehen ist ein 360-Grad-Filmerlebnis, eine knapp halbstündige Kompilation aus 24 ausgewählten Filmen, bei der man in die visuelle und musikalische Welt des Regisseurs eintauchen kann.
Kuratiert wurde die Ausstellung von Susanne Kleine (Bundeskunsthalle), von Isabelle Louise Bastian und Hans-Peter Reichmann (DFF Frankfurt).

Claus Wecker
Info: »W.I.M. – Die Kunst des Sehens« läuft bis zum 11. Januar 2026 in der Bundeskunsthalle Bonn. Geöffnet: Di.–So., 10–18 Uhr, Mi., bis 21 Uhr.
Die Ausstellung wird durch eine Filmreihe in der Bundeskunsthalle ergänzt.
Vom 10. März bis 9. Oktober 2026 zeigt das DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum in Frankfurt eine konzeptuell veränderte Ausstellung.

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