Manche Leute scheinen es Putin persönlich übel zu nehmen, dass er sich die Krim unter den Nagel gerissen hat und sich anschickt, mit der Ukraine dasselbe zu tun. Da schlägt zum Beispiel die FAS »Alarm«, findet die sogenannten Putin-Versteher (offenbar eine besonders üble Art von Frauenverstehern) blöd, was in Sätzen gipfelt wie: »Aggression mit Empathie zu begegnen bedeutet nur, ihr nachzugeben. Bedeutet, dass man verliert. Aber wer tut so etwas schon? Na ja – wir«. Grund dafür sei, dass wir Deutschen Angst hätten vor den Russen. Die Folgerung des Artikels läuft irgendwie auf »High Noon« heraus, wo Grace Kelly am Ende doch den einsamen Helden Gary Cooper unterstützt.
Tatsächlich ist in Sachen Putin der einsame Held (und Präzedenzfall) ein gewisser Saakaschwilli, ehemaliger Präsident von Georgien, der tatsächlich meinte, er müsse den Russen die Stirn bieten – und irgend jemand aus dem Westen werde ihm schon helfen. Statt Grace Kelly reiste jedoch nur Sarkozy an, es wurde nicht »Do not forsake me, oh my Darling« gesungen, nicht mal die Marseillaise. Für eine Art Abkommen ließ Sarkozy sich feiern, dann spuckte Putin kurz drauf und machte weiter wie bisher. Als Antwort schickte Europa eine Untersuchungskommission nach Tiflis, die gegen Saakaschwili ermittelte, und zu dem Schluß kam, Putin/Medwedew seien zwar unartig gewesen, aber Saakaschwili habe den Krieg angefangen. Da waren fast alle Meinungsführer Europas beruhigt, weite Teile von FAZ und FAS eingeschlossen. Es sind also nicht nur die Deutschen, die Angst haben.
Die Ukrainer selbst haben, den Fall Georgien vor Augen, soviel Angst vor den Russen, dass sie zu lange gezögert haben, ihre von prorussischen Rebellen besetzten Ämter und Behörden zu räumen. Letzten Endes läuft daher alles auf eine »Föderalisierung« der Ukraine hinaus. Wobei die Europäer freundlicherweise die Schulden der Ukraine übernehmen. Zudem werden wir versprechen, dass die Ukraine »neutral« bleibt. Die Kosten für die Krimannexion wird Putin über zusätzliche Kohle aus dem Gasgeschäft holen. Nach einer Weile ist die Angelegenheit, von ein paar Jahrestagen abgesehen, vergessen. Dann werden »Sonntagsreden« gehalten, die für Merkel seltsamerweise nicht dasselbe sind wie »leere Reden«.
Im Bundestag formulierte eine CDU-Abgeordnete jüngst zum 10. Jahrestag des großen Mordens in Ruanda die Einsicht, dass die Weltgemeinschaft hier zwar versagt habe, für die Zukunft hieße das aber nicht notwendig ein stärkeres militärisches Engagement. Was aber denn sonst?
Kurt Otterbacher
PS: Putin zu »verstehen«, heißt übrigens nicht Em- oder gar Sympathie zu haben. Sondern sich zu überlegen, was man an seiner Stelle tun würde, was er für Optionen hat – und wie weit er gehen würde. Dies nicht zu tun wäre blöd.