Astreines Material, um der Linken beizutreten, ist derzeit im Stadtlabor des Historischen Museums zusammen gestellt. »Enteignen« – heißt es da plakativ auf Schaufensterpuppen, die mit weißen Bettlaken als Gespenster verkleidet wurden. Doch damit natürlich nicht genug, das Schlagwort muss ja gefüttert werden: Eine umwerfende Fülle penibler Recherchen wird dem beiseite gestellt, aufbereitet als Wandzeitungen, die schon immer etwas Revolutionäres an sich hatten, und als Gast hat man nun die Gelegenheit, sich – die Argumente studierend – darin zu vertiefen.
Exemplarisch wurden für diese Ausstellung von den Stadtlaborant*innen drei Wohnsiedlungen in Frankfurt ausgewählt, die großartig als sozialer, gemeinnütziger Wohnungsbau begannen und von allen guten Geistern, dem Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz nämlich, in den 1990er Jahren verlassen wurden. Jetzt dümpeln sie aber keineswegs nur vor sich hin, obwohl die neuen Vermieter alles andere als über jeden Zweifel erhaben wären. Ganz im Gegenteil. Diese Ausstellung macht einen schroffen und grundlegenden Kontrast mehr als spürbar: den nämlich zwischen der gemeinwohlorientierten Wohnungsbaupolitik der Stadt, die sich in der Tradition des Neuen Frankfurt von Ernst May wusste, und der nun aktuell vorrangig privatwirtschaftlichen Organisation des Wohnsektors, der Profitmaximierung als oberstes Ziel formuliert. Mieter*innen beklagen in diesem Zusammenhang, dass zur Strategie gehöre, ehemals gemeinnützigen Wohnraum jahrzehntelang nicht instand zu halten – wozu Vermieter qua Gesetz verpflichtet sind –, sondern so herunterkommen lassen, dass sie für eine dann sehr kostspielige Modernisierung auf Kosten der Mieter*innen durchführen und eine immens gestiegene Miete verlangen. Die dann wiederum für einige Mietparteien nicht mehr bezahlbar ist. Nur zur Info (die auch zeigt, von wieviel praktischem Nutzen ein Besuch des HMF ist!): es sind 8% der bisherigen Miete, die aber auch nach Erreichen der Kostensumme vom Vermieter weiter verlangt werden darf. Daran dürfte/könnte/sollte der Gesetzgeber gerne etwas drehen.
Aber sie beklagen noch viel mehr. Schließlich sind die Mieten in Frankfurt um mehr als 60 Prozent in den vergangenen zehn Jahren gestiegen, die Hälfte aller Frankfurter*innen hat Anspruch auf eine Sozialwohnung, doch immer mehr Wohnungen verlieren ihre Sozialbindung, gleichzeitig steigt der Leerstand. Klar, sobald Wohnraum unter dem reinen Aspekt der Rendite betrachtet wird, lohnt sich das vermutlich: lieber verfallen lassen, abreißen und dann für teuer Geld neue Luxuswohnungen bauen, die dann wiederum nicht unbedingt dem Wohnungsmarkt zur Verfügung gestellt, sondern als Investition angeboten werden. Ein mieses Procedere, abgesehen davon, wie schlecht die Ökobilanz eines Abrisses aussieht.
Doch werden wir jetzt einmal so konkret, wie es das Stadtlabor auch wurde – und man kann diese enge Zusammenarbeit und Verzahnung von universitären Forschungsprojekten mit zivilgesellschaftlichen Organisationen vor Ort gar nicht genug loben. Im konkreten Fall hat sich das Stadtlabor-Team in den drei Wohnsiedlungen Anregungen der Bewohner*innen, Akteure von Mieterinitiativen etc. geholt und höchst informative Wandzeitungen erstellt, und auch die Kita Farbenland aus der Henri-Dunant-Siedlung in Sossenheim hat kräftig mitgeholfen, um ihre Umgebung plastisch darzustellen.
Als eines der letzten Projekte des Neuen Frankfurt war die Carl-von Weinberg-Siedlung ursprünglich für die besser verdienenden Angestellten der IG Farben gedacht; 1930 wurde der erste Bauabschnitt im Rücken der IG (heute Campus Westend, der prägnante Poelzig-Bau) fertig gestellt. Mittlerweile gehört sie größtenteils der börsennotierten Vonovia. Zu einem wahren Sammelsurium an Informationen gehören drei Installationen: einmal ist das der Nachbau einer komplett verschimmelten Küche, die verdeutlicht, in welch mieterfeindlichem Zustand sich von Vonovia gemanagte Wohnungen befinden, zum anderen ein Schilderwald, der infolge von Sanierungs- und Baumfällarbeiten entstand. Die Grünanlagen waren dadurch stark in Mitleidenschaft gezogen, und ein Heer von Verbotsschildern machte sich breit. Doch damit nicht genug: die Initiative »Stadt für alle« kümmert sich intensiv mit den Bewohner*innen um die Sichtbarkeit der Zustände in der Siedlung.
Der Transformationsprozess der ehemaligen Eisenbahnersiedlung in der Knorrstraße im Gallus zog besondere Aufmerksamkeit auf sich – denn der ist enorm, wie sich anhand der vielen Fotos dokumentieren lässt, die ihre Geschichte bezeugen. Unternehmen wie die damalige Reichsbahn bauten seit 1880 sogenannte gemeinnützige Arbeiterwohnhäuser. Läden, Betriebe und Geschäfte komplettierten das Bild von einer guten Nachbarschaft. Seit 2010 will nun Vonovia, die viele dieser Häuser erwarb, durch umfangreiche Sanierungen ästhetisch die Lücke zum benachbarten Europaviertel schließen – auf Kosten der Mieter. Die Stadt ignorierte den von den Bewohnern eingeforderten Milieuschutz. Auch das ließen die Bewohner nicht auf sich sitzen und organisierten Protestaktionen – erfolgreich.
Es ist eine bunte, sehr lehrreiche Ausstellung geworden, die auch viele positive Beispiele für die Sichtbarmachung von Zuständen benennt, mit zahlreichen Hör-Stationen und lebhaften Beispielen von Widerstand. Was wären schlussendlich die Mittel, Wohnraum zu sichern, wurden die Stadtlaborant*innen und damit die Ausstellungsmacherinnen befragt: Enteignen – das ist eine ein gute Idee! Wobei wir wieder am Anfang wären …
»Alle Tage Wohnungsfrage. Vom Privatisieren, Sanieren und Protestieren« – eine Ausstellung im Stadtlabor des HMF
