Begriffsverwirrungen (112)

Worte als Hauptbestandteil von sprachlicher Verständigung sind ja erstmal neutral. Das Wort »rot« beschreibt eine Farbe, man hätte sie auch blau nennen können, aber man hatte sich vor Urzeiten halt auf die Bezeichnung rot geeinigt, so dass nun jeder und jede weiß, welche Farbe gemeint ist. Nun kann ein Wort aber auch zu einem Begriff werden, also zu etwas, das uns etwas begrifflich, begreifbar werden lässt. Weil in der jüngeren Geschichte die Linken von SPD bis irgendwo mal die Farbe Rot als Standessymbol erkoren haben, werden sie nun die Roten genannt, obwohl sie mit der Farbe ja gar nichts zu tun haben. Nun wollte ich aber hier nichts zu den Farbausprägungen unserer Parteienlandschaft schreiben, sondern zu den Begriffen, die Worten unserer Sprache zugeordnet werden. Und da gibt es doch gewaltige Verwirrungen oder vielleicht auch Verirrungen. Drei Beispiele:

Das Wort »Wirtschaft«. Alle meinen es zu verstehen und doch meinen alle oder fast alle etwas Unterschiedliches. »Ich gehe in die Wirtschaft« kann man so oder so interpretieren. Ebenso die Feststellung, dieser oder jener mehr oder minder wichtige Mensch »kommt aus der Wirtschaft«. Im einen Fall wird dem Menschen – ob zu Recht oder Unrecht – kluger Sachverstand unterstellt, im anderen Fall eher der Wunsch nach bzw. die Erfüllung von feuchtfröhlicher Freizeitgestaltung. Wenn sich also ein Mensch mit der Bemerkung, er sei ein »Mann der Wirtschaft« um ein politisches Amt bewirbt, kann dieses durchaus zweideutig interpretiert werden. Gerade bei Politikern ja gar keine so abwegige Interpretation. Aber selbst wenn wir mal zu seinen Gunsten (?) annehmen, er meint damit, dass er aus einem Unternehmen kommt, dann heißt das auch zugleich immer, aus der Führungsclique der dann so genannten Wirtschaft. Ich zumindest habe noch von keinem Bandarbeiter von Opel gehört, dass er sich als »Mann der Wirtschaft« bezeichnet. Dass hier jetzt überall die männliche Form dominiert, ist sicherlich kein Zufall.

Das zweite Wort ist »Verbot«. Davon ist beispielsweise die Straßenverkehrsordnung voll: ständig irgendwelche Abbiege-, Durchfahrt-, Halte-, Handy- und sonstige Verbote. Hört man in die politische Auseinandersetzung, dann haben all diese Verbote die Grünen verbockt, denn sie sind nach Aussagen führender christsozialer (manchmal auch -demokratischer) Politiker die alles beherrschende Verbotspartei. Die würden ja am liebsten sogar Plastiktüten verbieten. Wo kämen wir denn hin, wenn wir uns auf die gleiche Stufe mit einem afrikanischen Entwicklungsland wie Ruanda (und einige andere mehr) auf eine Stufe stellen, die doch tatsächlich so ein Verbot erlassen haben. Nun stammt die Verbotsforderung zwar von der EU, zeigt aber wie grün-alternativ-versifft auch der Apparat schon ist. Spitzenreiter der Begriffsverwirrten ist hier das christdemokratische Nachwuchstalent Philipp Amthor. Der Jüngling (»Die Welt«) aus Mecklenburg, jüngster CDU-Bundestagsabgeordneter, saß da neulich wie das Fleisch gewordene Abziehbild des Sechzigerjahre-Pennälers auf der Diskussionscouch von Moderatorin Maischberger, um die Grünen als »kleinkarierte Verbotspartei« zu brandmarken. Warum und wieso begründete er mit dem Plastiktrinkhalmverbot der – na, wer wohl? – EU. Den Widerspruch, dass er sich vor einiger Zeit in einer Bundestagsrede (er ist im Übrigen ein begnadeter Redner) voll hinter »den Andi« (Scheuer) gestellt hatte, der ein Verbot (sic!) der Vollverschleierung gefordert hatte, wird er wohl mit der Erklärung, dass es gute und schlechte, also eben schwarze und grüne Verbote gibt, auflösen wollen.

Und dann gibt es noch das Wort »Populismus«. Dem hat die FAZ die Krone der Begriffsverwirrung aufgesetzt. Ließ sie noch im Regionalteil einen Wissenschaftler fundiert erklären, welche Ultra-Feinstaub-Partikel aus Verbrennungsmotoren, die durch überhaupt keinen Filter verhindert werden, in unsere Lungen und Blutbahnen gelangen, so durfte herausgehoben auf Seite eins Herr Jasper von Altenbockum kommentieren, dass es sich bei der Forderung nach sauberer Luft um grünen Populismus handle.

Also so einen Populismus lass ich mir gefallen.

Jochen Vielhauer

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