Der jüdische Beitrag zu »100 Jahre Neues Frankfurt« im Jüdischen Museum

In der nicht hoch genug einzustufenden Aufmerksamkeit, die derzeit das »Neue Frankfurt« erlebt, bringt das Jüdische Museum ein weiteres erhebliches Kapitel ein: die künstlerische und sozialpolitische Beteiligung der jüdischen Intellektuellen, Baumeister*innen, Künstler*innen an der Erarbeitung und Realisierung des stadtpolitischen Konzeptes, das eine Erneuerung von Stadtplanung und Architektur unter gemeinschaftsorientierten und soziokulturellen Aspekten anstrebte. Diese Beteiligung war fundamental, und was binsenweis ist, ist nicht deshalb weniger wahr: die jüdische Bevölkerung war nicht nur lebhaft in das Stadtgeschehen eingebunden, sie führte es maßgeblich an, engagierte sich prägend in der Sozialfürsorge, siehe Kinderkrankenhaus Clementinen, siehe Bibliotheken, siehe Waisen- und Mädchenhäuser, siehe Studienstiftungen, siehe Altersheime und die Goethe-Universität.
In einer nun bis zum 10.5.2026 währenden Pop-Up-Präsentation werden alle sechs Wochen mit neuer Bestückung Leben und Wirken der daran Beteiligten vorgestellt, konzentriert in der Bibliothek, und verstreut in der Dauer- und auch Wechselausstellung. Die sich dort befindenden Werke sind mit einem runden Pappschild entsprechend gekennzeichnet.
Den Anfang macht Fritz Nathan (1891–1960), der in München und Darmstadt seine Studienjahre verbrachte und sich 1923 in Frankfurt mit einem eigenen Büro als Architekt in die Selbstständigkeit wagte. Das prägendste Bauwerk hier ist zweifellos sein Entwurf für den Neuen Jüdischen Friedhof an der Eckenheimer Landstraße, der auf geradezu bahnbrechende Weise sakrale Elemente mit den Maßgaben eines sachlichen Bauens verband. Die klaren Linien, die strenge Geometrie, die Anordnung der Kolonaden als einzigem Schmuck erhält durch den verwendeten Klinker eine nahezu kostbare Wirkung. Gleichwohl kehrt man hier zu einer Einfachheit zurück, die den traditionellen Vorstellungen von jüdischen Begräbnisstätten entsprach, in Abkehr zu den üppigen Baudenkmälern, die den alten jüdischen Friedhof an der Rat-Beil-Straße schmücken. Damals galten sie als Spiegel der jüdischen Assimilierung Ende des 19. Jahrhunderts.
Fritz Nathan übernahm damals die Gesamtgestaltung. Er ist mit vielen weiteren Projekten überall in der Stadt vertreten gewesen, er baute auch Warenhäuser, Kinos, Krankenhäuser und Schulen. »Universum«, das erste in Mannheim geschaffene Hochhaus, das im Jahr 1926 Richtfest feierte, steht noch, damals vereinigte es neben dem Lichtspielhaus »Universum« auch ein Beamtenwarenhaus. 1938 floh seine Familie zunächst in die Niederlande, später in die USA, wo Nathan sich erfolgreich auf Sakralbauten spezialisierte.
»Im Angesicht des Todes«, die aktuelle Wechselausstellung, zeigt einige aktuelle Aufnahmen des Jüdischen Friedhofs von Laura J. Padgett. In der Bibliothek ist neben biografischen Materialien eine von Nathan entworfene Spendenbüchse zu sehen. In der Dauerausstellung findet man ihn in den Kabinetten »Innovation und Moderne«.

Susanne Asal
Foto: Erna Pinner, © Estate of Erna Pinner
Bis 29. Juni: Di.–So., 10–18 Uhr; Do., 10–20 Uhr. Es folgen Erna Pinner, Ferdinand Kramer, Ilse Bing, Ernst May, Nelly Schwabacher, Hans Flesch und Ludwig Wolpert.
www.juedischesmuseum.de

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