»Die Poesie des Unendlichen« von Matthew Brown

Der geniale Außenseiter

Die Filmindustrie scheint die Welt der Physiker und Mathematiker für sich entdeckt zu haben. Außenseiter, die sich sämtlichen Hindernissen widersetzen und Großes erträumen. Zuletzt war »Die Entdeckung der Unendlichkeit« mit Stephen Hawkings Lebensgeschichte im Kino zu sehen. Jetzt folgt, auf der Biographie des Autoren Robert Kanigel basierend, Matt Browns »Die Poesie des Unendlichen« den Spuren des Inders Ramanujan, der die Welt der Mathematik auf den Kopf stellte.

Aus ärmlichsten Verhältnissen kommend, überrascht Ramanujan, dargestellt von Dev Patel, seine Mitmenschen. Autodidaktisch bringt er sich selbst die schwierigsten Formeln und Gleichungen bei. Er studiert Tag und Nacht, notiert seine Arbeiten in Notizbüchern. Sein Talent bleibt nicht lange verborgen; durch einen Brief wird der Cambridge-Professor G. H. Hardy (Jeremy Irons) auf ihn aufmerksam. Für Ramanujan beginnt eine aufregende Lehrreise nach England, deren Ergebnisse selbst heute noch nicht völlig entschlüsselt sind.
»Die Poesie des Unendlichen« versteht es gut, kulturelle Differenzen herauszuarbeiten. In Zeiten des Ersten Weltkrieges, als von Globalisierung und Vernetzung noch keine Rede war, wird Ramanujan aus seiner Welt der Traditionen herausgerissen und in die High Society am Cambridge College geworfen. Ein Kulturschock allererster Güte, der sich in kleinen, feinen Szenen zeigt. Etwa, wenn zur Mittagszeit bloß Fleisch serviert wird und Ramanujan hungern muss. Das Drehbuch zeichnet Ramanujan als gewissenhaften, jungen Mann, der hoch und höher fliegen möchte. Hardy fungiert als Gegenpart, der seinem Schützling Methodik eintrichtert, ihn auffängt, wenn er sich zu weit hervorwagt.
Seine Kraft bezieht der Film folglich aus der Beziehung zwischen Ramanujan und Hardy. Das Zusammenspiel Dev Patels und Jeremy Irons hält den Zuschauer bei der Stange. Während Patel seinem Ramanujan ein unbändiges Feuer in Auge und Stimme legt, ist Irons der ruhige Gegenpol. Aus rein mathematischem Interesse erwachsen Respekt und Freundschaft, nicht nur generationenübergreifend, sondern auch Kulturen verbindend. Ein erster Lichtblick, der Englands Kolonialherrschaft und Überlegenheitsdenken zu jener Zeit einen gehörigen Dämpfer verpasst. Es kommt nicht von ungefähr, dass Hardy die Arbeit mit Ramanujan als einzigen romantischen Vorfall seines Lebens bezeichnet hat.
Da verzeiht man auch, dass sich »Die Poesie des Unendlichen« in einem für Biopics üblichen Rahmen bewegt. Der Ablauf der Geschichte überrascht nicht und Regisseur Brown findet wenig Mittel, Ramanujans Brillanz virtuos auf die Leinwand zu übertragen. Es ist eben eine typische Außenseitergeschichte, wie sie das Kino gerne und routiniert erzählt. Da stellt dieser Film keine Ausnahme dar.

Niklas Nissen
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DIE POESIE DES UNENDLICHEN
(The Man Who Knew Infinity)
von Matthew Brown,
USA/GB/Ind 2015, 114 Min.
mit Dev Patel, Jeremy Irons, Devika Bhise, Stephen Fry, Toby Jones, Jeremy Northam
nach der Biographie von Robert Kanigel
Biopic
Start: 12.05.2016

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