Dramatische Bühne zeigt Hänsel & Gretel auf Dämonenjagd

Die Spur führt zum Lebkuchenhaus

Für die Jubelfeiern zum 200. Jahrestag des ersten Märchenbuchs der Grimm-Brüder kommt die Dramatische Bühne mit ihrem neuesten Stück zwei Jahre zu spät. Was sehr schade ist, vor allem für das Grimm-Jahr. »Hänsel & Gretel, die Dämonenjäger« heißt es und hätte aufgrund seines anarchischen Zugriffs wohl eine Alleinstellung im Bühnenmärchenwald gehabt. Das haben Produktionen von Thorsten Morawietz aber ohnehin immer.

Der Kopf der Bockenheimer Theatergruppe setzt in seinem Grimm-Spiel darauf, das Dunkle, Unbewusste und Verdängte der Märchenfiguren herauszuarbeiten. Was sich bei Hänsel und Gretel darin äußert, dass sie den Horror im Knusperhaus zwar überstanden, aber längst nicht verarbeitet haben. Morawietz sieht die Geschwister auf einem posttraumatischen Rachetrip und lässt sie im gesamten Œuvre der Hanauer Brüder wüten. »Grimms sämtliche Märchen. Leicht gekürzt«, verspricht der Untertitel, die Liste der gut 200 Geschichten hängt gegenüber der Getränkeausgabe zum Überprüfen. Indem Morawietz aber per Kunstgriff die Handlung in die USA der Dreißiger verlegt und dort Jacob und Wilhelm als grimmige Cops ihre aus den Fugen geratenen Geschöpfe verfolgen lässt, bringt er seine erfolgreichen Sampler-Serien um Comic- und Fantasy-Helden auf neuer Ebene zusammen und übertrifft sie gar. »Hänsel & Gretel« ist schlüpfrig-schauriger Monster-splash und knallharter Detektivthriller in einem.

Also erleben wir in einer wahren Kostümorgie das inzestuöse Geschwisterduo (Thorsten Morawietz, Jeanette Treusch!) voll in schwarzem Latex kondomiert und das sonst so liebe Aschenputtel (Simone Greiß) mit blutigem Knochen im Haar als endgeile Vampirin, die direkt von Rickys Popsofa gesprungen scheint. Wir sehen Frau Holle (Julian König) als profitgeile Drogendealerein, den melancholischen Lieutenant G. Jacobs (Christoph Maasch) und seinen enthusiamisierten Sergeant William (Sebastian Huther) von der NYCP, sieben blutrünstige Schwaben und zahllose andere, bis es – so viel sei verraten – am Lebkuchenhaus, dem heißesten Bordell von Las Vegas, zum herzzereißenden Showdown kommt.

Ein schräger, mitreißender Abend dieses toll eingespielten Ensembles in atemberaubendem Tempo mit immer neuen Pointen, dem man jede Redundanz verzeiht, weil nur die auf dieser Achterbahnfahrt für die Lachmuskeln ein wenig Erholung verspricht.

Winnie Geipert
Termine im Mai: 2., 3., 9., 10., 16., 17., 20 Uhr; 4., 11, 18. (sonntags), 19 Uhr
www.diedramatischebuehne.de

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