Illustre Herrenrunde
Unangekündigt, aber mit Bedacht ist Yasmina Rezas Komödie »Kunst« auf den Spielplan des Frankfurter Schauspiels geraten. Als großes Theaterhaus brauche man ein Gegengewicht zu den vielen derzeit das Programm dominierenden kopfstarken Produktionen (Die Nibelungen, Die Kinder der Sonne, Der Idiot, Dogville), hat Intendant Oliver Reese als Manko erkannt – und gehandelt. Das weniger personalintensive und somit weniger riskante Pendant sei aber auch als eine Alternative zu »Der nackte Wahnsinn« (Michael Frayn) oder Moritz Rinkes »Wir lieben und wissen nichts« angedacht, fügt der Theatermacher mit dem nachdrücklichen Hinweis an: »Boulevard wird das aber nicht!«.
Die schon 1993 uraufgeführte und weltweit gespielte Komödie erzählt, wie die Anschaffung eines abstrakten Gemäldes die über Jahrzehnte währende Freundschaft dreier Mittvierziger in immer skurriler werdenden gruppendynamischen Wendungen zum Zerbersten bringt. Das Weiß auf Weiß dieses Kunstwerks hat als »die weiße Scheiße« auch eine Bonmot-Karriere gemacht, die Reese nicht zuletzt als Bewunderer der Dialogkunst der Erfolgsautorin (Der Gott des Gemetzels, Drei Leben) tunlichst umgehen will. Die ersten Inszenierungen hätten die in den Neunzigern populäre Debatte um die Kunst fokussiert – zu Lasten der feinen Charakter- und Kommunikationsstudien Rezas, die die teils enthusiastischen Reaktionen des Publikums bisweilen befremdet hätten. »Das Gemälde ist ein Nichts«, meint Rees, es wirke wie ein Katalysator für die Beziehungen und lege wie eine chemische Lösung männliche Befindlichkeiten bloß, die vielen der Besucher wohlbekannt vorkommen dürften. »Kunst« sei ein ernstzunehmendes, sensibles Stück, in dem jedes gesprochene Wort Bedeutung habe und kaum Streichungen möglich seien. Dass die durchdachten Thesen der Protagonisten in der Kunststadt Frankfurt als Affront empfunden würden, kann sich Reese ebenso wenig vorstellen wie eine Schenkelklopfer-Orgie: »Wenn wir ein konservatives Publikum hätten, würde ich das nicht spielen.«
Mit Martin Rentzsch, Wolfgang Michael und Sascha Nathan präsentiert der Schauspiel-Chef zudem eine illustre Herrenrunde, auf die man sich mit ihm freuen darf. Wer von diesen den knarzigen, wer den lasziven und wer den weichen Bühnentyp verkörpert, wird für halbwegs Interessierte kein Geheimnis sein. Deren Aufeinandertreffen falle womöglich in jeder Vorstellung anders aus, kündigt er an, seinem Trio Furioso in der Gestaltung seiner Rollen die größtmögliche Freiheit zu gewähren. Das Stück wird auf einer in den Saal des Großen Hauses vorverlagerten Bühne gespielt, die mit Kulissenwechseln auch der zeitlichen Komponente der Handlung Rechnung trägt.