Nein, ist sie natürlich nicht, obwohl das Zwiebel-Modell – viele Schichten umschließen einen Kern – konzeptuell doch sehr wohl dem »Neuen Frankfurt« des Ernst May, das gerade seinen hundertsten Geburtstag feiert, zugrunde lag.
Dieses städtebauliche, sich auch sozialpolitisch verstehende innovative Bauprogramm materialisierte sich an den Rändern der Stadt, denn der Innenraum war schon belegt. Sie vollzog die europäische Architekturmoderne mit, Gartenstädte waren bereits in England gebaut worden. Was die Innenstadt damals ganz besonders auszeichnete, waren bröckelige Architektur, baufällige Strukturen, wenig Platz und vor allem schlechte Luft. In der heute so puppig anzuschauenden Altstadt lebte man grottenschlecht, in jedem Zimmer bullerte ein Kohleofen, im Naxos, heute eine wunderbare Theaterspielstätte, stellte man Schleifmittel her, im Mousonturm wurden Seifen gesiedelt und Parfüm produziert.
Also platzierte man die neuen Wohnviertel an den Stadtrand. Vorteile: Luft, Platz, Licht, Gärten zur Erholung, aber auch fürs das Anbauen von Obst und Gemüse, einheitliche Ausstattung, um Klassenstrukturen auszublenden. Erste vollelektrische Siedlung in Deutschland. Nachteile: eine doch autoritäre Planung, Monofunktionalität. Denn Geschäfte, Läden, Gemeinderäume waren hier nicht vorgesehen bzw. wurden nicht gebaut. In der Römerstadt, die hier exemplarisch in einem Modell zu sehen ist, sollte eine Kirche entstehen, aber das ist nie verwirklicht worden. Das einzige Café lag wenig einladend an einer der großen Straßen in die Innenstadt. Nicht viel besser machte es die Nordweststadt in den 1960er Jahren, die ebenfalls als reine Wohnsiedlung konzipiert wurde. Ein Problem: wohin mit dem Verkehr?
In der Ausstellung »Bauen Wohnen Heute?«, die im Deutschen Architekturmuseum bis zum 2. November zu sehen sein wird und den ersten Stock einnimmt, dient die Siedlung Römerstadt quasi als Sprungbrett für die Präsentation frischer siedlungspolitischer Ideen, die sehr wohl aus diesen Nachteilen ihre Lehren zogen: Monofunktionalität ist out, gemischte Quartiere entsprechen den Wünschen der dort Wohnenden. Acht unterschiedliche Modelle stehen jetzt zur Begutachtung bereit, offenbaren ihre Vor-und Nachteile, legen bloß, wo nachgearbeitet und neu konzipiert werden kann und sollte. Es sind auch zwei Entwürfe dabei, die aus unterschiedlichen Gründen nicht realisiert wurden: die WerkBundStadt in Berlin-Charlottenburg und die Günthersburghöfe in Frankfurt.
Beim Streifzug durch die Ausstellung wird das weit aufgefächerte Spektrum der Formate exemplarisch und auch ideenstiftend deutlich. Klar, die Entwürfe können jeweils nur einen Zustand beschreiben, der ständiger Fortentwicklung bedarf. Ein Quartierskonzept ist insofern genauso wenig abgeschlossen wie Wohnungsbau nur einer einzigen Idee folgen kann.
In Heidelberg und Heilbronn ging es um die Umwandlung von Bahnarealen, die Hamburger HafenCity beschritt den Weg, das Stadtzentrum in Richtung Elbe zu verdichten und zu erweitern.
Besonders clever stellten es die Heilbronner mit ihrem Projekt »Neckarbogen« an, denn sie integrierten das Bauprojekt mit in die Bundesgartenschau. Das hieß, die Ideen mussten auch in einem Zeitraum von zwei Jahren verwirklicht werden. Man schuf nicht nur Spielplätze für Kinder, sondern auch solche für Jugendliche, Skateparks, Halfpipes zum Beispiel. Gut auch die Idee, ein Parkhaus in Laufnähe zu bauen, in dem auch Räder untergebracht werden können. So werden die Gärten – wie beispielsweise auf dem Frankfurter Riedberg – nicht als Garagenersatz genutzt, was nicht schön ist und aussieht.
Das rote Hamburg stand Pate für die Hafencity – Ziegelbau allerorten. Von 1999 hat die Stadt ein architektonisch immer variabler werdendes Projekt gefördert, das auch vertikale Strukturen bedient, beispielsweise mit Gärten auf den Dächern von Kitas und Schulen. Es gibt Spiel-und Picknickflächen – und auch Büros, also Multifunktionalität.
Gewachsene urbane Strukturen einfach auf dem Reißbrett zu entwerfen ist kein Weg in die Zukunft der urbanen Quartiersentwicklung – ökologische und klimatische Nachhaltigkeit müssen berücksichtigt werden, Umwidmung bestehender Areale kann eine Alternative sein.
Doch die größte Herausforderung stellt neben der Finanzierung immer noch der Platz da. Enteignen, wen? Luftschneisen zubauen, die infolge des Klimawandels immer wichtiger werden? Wo siedelt man Quartiere an? Magistratsbeschlüsse lassen sich nicht einfach von oben am Willen der Einwohner vorbei durchsetzen, die mitgestalten, mitsprechen wollen. Gerade Frankfurt und Umgebung liefern da viel Gedankenmaterial. Alles das ist nachzulesen, nachzuhören und zu sehen in dieser sehr informativen und didaktisch gut präsentierten Ausstellung.
Ist die Stadt eine Zwiebel? Bauen Wohnen Heute? im DAM
