Shylock, Nathan und Tevje
Der Mann mit der qualmenden Kippe im Mund ist im Begriff, eine »€-Bombe« mit glimmender Zündschnur auf eine regenbogenbunte Scheibe zu schleudern, unter der wir uns wohl die Erde vorstellen sollen. Mit de m Spruch »Die Gier nach Geld zerstört die Welt« hat der signierende »Rick« sein arg kapitalismuskritisches Graffiti an der EZB-Mauer überschrieben und den Bombenwerfer mit einer Hakennase ausgestattet, die seine Rücksichtslosigkeit eindeutig ethnisch verortet. Das Bild gehört zum Epilog der Ausstellung »Juden. Geld« im Jüdischen Museum, die das immer wieder instrumentalisierte Klischee vom »reichen Juden« und dessen augenscheinlich noch lange nicht beendete Wirkungsgeschichte verfolgt.
Indem der Ausstellungstitel das Bindewort »und« unterschlägt, macht er das antisemitische Vorurteil umso präsenter. Mit der mehrdeutigen Unterzeile »Eine Vorstellung« wird nicht nur die Konjunktion von Juden »und« Geld als ein primär gedankliches Konstrukt betont. Sie gilt auch dem originellen theatralischen Konzept dieser in zirka zehn Szenen aufgebauten Schau, die – was für eine phantastische Idee! – mit den so konträr besetzten Figuren des Shylock aus Shakespeares »Kaufmann in Venedig« und des weisen Nathan aus dem gleichnamigen Lessing-Stück anhebt, waren doch beide vor allem eines: nämlich reich! Aber die auf den Bühnen so unterschiedlich inszenierten und besetzten Rollen weisen eine tiefe Geistesverwandtschaft aus, die Christoph Pütthoff vom Schauspiel Frankfurt in einer Videoeinspielung optisch vermittelt.
Die nächsten Etappen gehen der Entstehung des Vorurteils im Mittelalter aus dem Gegensatz zum Christentum nach, der sich wirtschaftlich (über Berufsverbote), aber auch in den Lehren manifestierte, bleibt dem sündigen Zins nehmenden Juden doch die gefürchtete Pein der Hölle erspart. Es folgt ein Streifzug durch die Jahrhunderte, auf dem wir Jud Süss, den Rothschilds, aber auch dem Milchmann Tevje (»If I Were a Rich Man«) aus »Fiddler on the Roof« begegnen, bevor er über die Hetzparolen der Nazizeit und die sich darin spiegelnden Bestrafungsriten in den KZs in die Gegenwart schwenkt.