MAK: Unter Waffen. Fire & Forget 2

Finger am Abzug

Matthias Wagner K, Chef im Museum Angewandte Kunst, wusste kurz vor der Eröffnung von »Unter Waffen. Fire & Forget 2« noch nicht so recht, wie die Ausstellung wohl angenommen wird in Frankfurt. Ob die Welt der Waffen und die Waffen der Welt nun dafür sorgen, dass ihm die Bude eingerannt wird, oder ob sie Leute eher verschrecken? Die Ungewissheit rührte vor allem daher, dass die gerade beendete Happy-Show Stephan Sagmeisters am thematischen Gegenpol mit 80.000 Besuchern das Erfolgreichste war, das er an seinem Haus bisher veranstaltet hat. Inzwischen blickt er nach zögerlichem Beginn auf einen wachsenden Zuspruch unterschiedlichster Provenienz mit vielen neuen Besuchern für das MAK. Wer zuvor in der Happy-Show war, vertraut vielleicht Sagmeisters dort inszenierten Thesen des US-Psychologen Steven Pinker von der tendenziellen Friedfertigkeit der Welt.
»Unter Waffen. Fire & Forget 2« lehnt an eine 2015 in den Berliner Kunst-Werken absolvierte Ausstellung an, die dort übrigens neue Rekorde schrieb. Anders als in der Hauptstadt, geht es in Frankfurt aber nicht allein um künstlerische Positionen. Die als Produktmesse konzipierte  Schau rückt mit ihrem Blick auf Design, Mode und Kunsthandwerk auch den Alltagsbezug ins Licht. Es geht um Macht, Herrschaft, Gewalt und Faszination durch Waffen im Großen und im Kleinen, öffentlich oder auch privat. Um den Schrecken, aber auch den Genuss, den sie subtil oder brachial bereiten. Über das gesamte zweite Stockwerk des Richard-Meier-Baus sind 60 Exponate und ein Dutzend Videoarbeiten in vier Abteilungen (Quadranten) mit Namen wie »Deep Impact« oder »End of Discussion« zu sehen. Dass man sich bisweilen wie auf einer Lifestyle-Show fühlt, liegt in der Natur der Sache, hält aber nicht lange an.
Von der Marken-Bomberjacke bis zum Camouflage-Motiv, von Parfumflakons oder Dildos in Handgranatenform bis zu Handys in Schlagringverkleidung oder der goldenen Kalaschnikow-Stehlampe von Philipp Starck reicht die Brücke in unseren Alltag, der in der ausgefallensten Variante gar nicht so fern sein muss, denkt man etwa an die mafia-schicken Beretta-Leuchten der Westhafen-Edel-Osteria. Rami Maymons Fotoporträts von israelischen Soldaten und Soldatinnen in Dienstkleidung, die jedem Modejournal entnommen sein könnten, lassen den Kontext verschwinden. Nicht ganz so gut gelingt das an anderer Stelle den US-Soldaten im Afghanistan, die auf You-Tube einen Lady-Gaga-Song choreografieren.
Peter Röder folgt auf der Warfare-Messe in Abu Dhabi dem Vernichtungszauber im großen Stil, was wunderbar eine Arbeit der deutsch-französischen Künstlerinnengruppe Neozoon  kontrastiert, die in »Buck Fever« die Erregung der Jäger, darunter auch Kinder, beim Töten von Wild dokumentiert. Mit Metallplatten veranschaulicht Clara Janni die Durchschlagskraft der Schusswaffen der Berliner Polizei. Deren Kollegen aus Bayern halten im Selbstversuch die Wirkung von Elektroschocks mit einer Taser-Pistole fest, die allein der Freistaat bisher erlaubt. Lange hingucken mag man da nicht.
Vielleicht bleibt deshalb die wie ein Märtyrervideo daherkommende Arbeit von Sharif Waked so haften, die uns keine Suren aus dem Koran oder Hasstiraden vernehmen lässt, sondern  Geschichten aus Tausendundeiner Nacht, mit deren Erzählen die schöne Scheherazade ihre Hinrichtung verhinderte und Gnade beim Wesir fand.

Lorenz Gatt (Foto: Lady-Necessaires – © Ted Noten)
Bis 26. März 2017: Di.–So. 10–18 Uhr, Mi. bis 20 Uhr
www.museumangewandtekunst.de

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