Museum für Kommunikation zeigt »Klassen-Kämpfe. Schülerrevolte 1968–1972«

Wenn der rote Frankfurter Großvater erzählt, dann kann es durchaus auch eine Geschichte aus der Schulzeit sein. Etwa die von seiner Klasse, die einem Lehrer damals einfach mitgeteilt habe, dass man ihn nicht mehr wolle. So etwas und noch viel mehr ging in den Sechzigern nicht nur an der Carl Schurz sondern auch an der von-Gagern-, der Bettina- oder der Wöhlerschule, wo der Spruch »Müller raus, Mao rein« an der Schulzimmerwand stand. Jetzt prangt »Müller raus, Mao rein« über dem Eingang zur Ausstellung »Klassen-Kämpfe. Schülerproteste von 1968–1972« im Museum für Kommunikation.
Die recht übersichtliche Schau untersucht den bisher selbst wissenschaftlich kaum erkannten Beitrag der Schüler zur 68er-Revolte, die weit mehr als nur eine Studentenbewegung gewesen ist. Sie kommt dabei zu dem Ergebnis, dass der Geist der Rebellion ganz wesentlich im Alltag der Schulen mit Forderungen entwickelt worden ist, die sich unter dem Slogan »Mehr Demokratie wagen« summieren ließen. Gezeigt wird dies an Beispielen aus dem bewegten Frankfurt und Nürnberg, Standort eines Schulmuseums, das auch Initiator dieser Ausstellung ist.
Eingerahmt wird der Parcours von einer Zeitleiste 1956–1972, die mit Schlagzeilen von Magazinen und Zeitungen eine von Elvis bis zur RAF reichende Epoche illustriert. In acht mit Stellwänden abgegrenzten Stationen können sich Besucher in Wort (Hörstationen), Bild (Tablets, Vitrinen) und Schrift auf jeweils einen Aspekt der Protestbewegung einlassen: von den Rollenildern, den autoritären Strukturen, der NS-Vergangenheit, über konkrete Formen des Widerstands wie Provokation und Streik bis zu Sex, Popkultur und der Politisierung der Bewegung. Unter den rund 100 Exponaten finden sich neben Fotos, Plakaten, Flugschriften, und Schülerzeitungen auch private Tagebücher, ein angebranntes Klassenbuch, eine Polizistenmütze als Demo-Trophäe und ein Rohrstock als Symbol für die etwa in Bayern noch bis 1983 erlaubte Prügelstrafe.
Informiert wird nicht allein über Schulbesetzungen, Schulverweise und Gerichtsprozesse gegen Lehrer und Schüler. Große Themen, wie Karin Storchs Abiturrede »Erziehung zum Ungehorsam« an der Elisabethenschule 20 Tage nach dem Mord an Benno Ohnesorg 1967, werden behandelt. Und kleine, wie der mithilfe ihrer Lehrer gegen den Vater durchgesetzte Berufswunsch einer Schülerin. Einen beredten Einblick in die damaligen Verhältnisse gibt auch die bundesweit Wellen schlagende Leserumfrage einer Frankfurter Schülerzeitung zum Thema Sex.
Dass man sich nichts vormacht: Die deutsche Hitparade von 1968 wird von Peter Alexander, Roy Black und Heintje angeführt. Erst auf Platz 24 der Charts findet sich ein Stones-Album.

Winnie Geipert (Foto: © Museum für Kommunikation)
Bis 22. Juli: Di.–Fr. 9–18 Uhr; Sa., So.11–19 Uhr
www.mfk-frankfurt.de

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