Auf die Bestsellerlisten ist er abonniert. Ein Erfolg nach dem anderen. Es fing einst an mit »Fleisch ist mein Gemüse« (2004), danach folgten, bis jetzt, ganze dreizehn Bücher. Heinz Strunk ist Schriftsteller, Musiker, Schauspieler und, vielleicht vor allem, Misanthrop. Er wurde 1962 in der Nähe von Hamburg geboren. Allerdings unter anderem Namen. Möglicherweise sucht er, auch aufgrund seiner häufig so fiesen Geschichten, unter dem Pseudonym einen gewissen Schutz. Denn das norddeutsche Temperament ist bei ihm zu einem bissigen Sarkasmus mutiert.
Das neueste Buch enthält sechsunddreißig Geschichten, die längste umfasst zwölf Seiten, die kürzeste ist nur einen Satz lang. Strunk beschreibt, wirklich schonungslos und bitterböse, vor allem Menschen ohne jegliche Perspektive, ohne die geringste Chance auf ein einigermaßen gelungenes Leben.
Einmal in der Woche gibt es in einem Luxus-Hotel auf Maspalomas die »Scampi-Pfanne«. Das soll die erschlafften Lebensgeister der 70 plus Gäste wieder wecken. Dazu stellen sie sich brav in die lange Schlange vor der Scampi-Theke. Man muss höllisch aufpassen, denn es gibt immer wieder dreiste Gäste, »Gierlappen«, die versuchen, sich vorzudrängeln. Eines Tages bricht dann auch noch der Koch hinter der Theke zusammen. Eine Frau schnappt sich noch schnell ein Pfännchen, obwohl die Scampis schon »verkohlt, verbrannt, zäh, ungenießbar« geworden sind. Sie rennt Richtung Ausgang, gerät ins Straucheln (vielleicht hat ihr auch jemand ein Bein gestellt), knickt ein, rutscht weg, stürzt zu Boden und wird, wie Strunk etwas arg optimistisch verkündet, »unter ihrer eigenen Pfanne begraben«. Auch Monika und Reinhold wissen, dass sie bei der Schlacht ums Essen »neben Geduld, reichlich Stehfleisch mitbringen müssen«. Eigentlich wollen die gar nicht mehr reisen. »Ab einem gewissen Alter sind Urlaubsreisen, rein psychologisch betrachtet, Vorbereitungen auf die letzte Reise.«
Oder: In der Geschichte »Bäuerchen« bekommt eine Sonja »sonntagnachmittags, nach Kaffee und Kuchen«, einen Schluckauf, der nicht mehr zu stoppen ist. »Nach einem Jahr ist sie am Ende«. Sonja hängt sowieso nicht besonders am Leben, sie hat »kein Geld, kein Glück, kein Sprit. Keine Eltern (mehr), kein Mann, keine Kinder«. Ihr Leben empfindet sie als trostlos, so kommt sie zu dem Ergebnis, »dass die zuverlässigste Methode, aus dem Leben zu scheiden, ein Sprung aus großer Höhe in ein Gewässer ist«. Einen Abschiedsbrief hält sie nicht für nötig, »man kann sich ja denken, warum sie sich verpieselt«. Als sie die Brücke erreicht und einige Schlucke aus der Wodkaflasche genommen hat, ist plötzlich der Schluckauf weg. Und was jetzt? Es stellen sich neue Fragen.
Oder: Seit Viola denken kann, leidet sie unter ihrer Nase: »zu groß, zu krumm, zu schief, zu höckrig und nasenlochig, missraten von der Wurzel bis zur Spitze.« Als sie sich, immerhin kostet die Operation 6.000 €, in die Hände eines Chirurgen begibt, sieht sie danach im Spiegel »wo vorher die Nase war, ragt jetzt senkrecht eine Mohrrübe aus ihrem Gesicht«. In solchen aberwitzigen Geschichten beschreibt Strunk die Welt der Gescheiterten, der Unglücklichen, der Abgehängten. Die Geschichten sind grotesk, teilweise tieftraurig und auch wieder urkomisch, sodass man oft nicht weiß, ob man lachen oder schreien soll.
Oder: Dennis, ein typischer Loser, frühverrenteter LKW-Fahrer, Rücken kaputt, »Bandscheibe verbogen, Gelenkschmiere eingetrocknet, Wirbel verklebt«, ist mit Nadine, dreizehn Jahre jünger, verheiratet. Seine Frau ist »oft auf hundertachtzig«, sie regt sich gerne und schnell auf. Bis vor kurzem hat sie »halbtags als Zimmermädchen im Hotel One gearbeitet, das ist praktischerweise ganz nah, dreimal lang hingeschlagen, schon steht man im Foyer«. Jetzt ist Nadine überraschend schwanger. Ein Fitnesstrainer soll den antriebslosen Fettsack Dennis zu einem fitten Vater machen. Dabei hatte Dennis »so sehr gehofft, dass er irgendwie durchkommt, einfach sein Leben zu Ende leben darf«. Er hatte doch keinerlei Ansprüche, »nur rauchen und naschen und Mezzomix«. Er hat sozusagen Glück. Er stirbt an einem Aneurysma. »So gesehen ist er doch noch davongekommen.«
Strunk betrachtet seine Protagonisten mit schonungslosem Blick. Seine Helden sind die, denen man ungern begegnet, die Einsamen, Hoffnungslosen, Benachteiligten. Er beschreibt sie mit beißender Ironie, schwarzem Humor und – auch – brillanten Formulierungen, die zuweilen aber übers Ziel hinausschießen.