Architecture and Energy – Bauen in Zeiten des Klimawandels im Deutschen Architekturmuseum
Wenn es jetzt lustig wäre, könnte man sagen, Regierungen bitte alle nachsitzen, und zwar gründlichst. Um von Hausaufgaben, die nicht erledigt wurden, gar nicht mehr zu reden. Aber leider ist es nicht lustig, die Verfehlungen in der Klimapolitik sind einfach zu zahlreich, zu klientel-bestimmt, zu lobby-gebunden, zu wirtschaftsmacht-orient, als dass diese Verfehlungen irgendetwas mit Spaß zu tun hätten. Ganz im Gegenteil: Der Architekt und Industriedesigner Werner Sobek, der die aktuelle Ausstellung im Deutschen Architekturmuseum (DAM) mit verantwortet hat, spricht ganz unverblümt davon, dass »wir an der Erderwärmung zugrunde gehen werden«.
Das ist natürlich mehr Menetekel als Satz. Und hier verbindet er sich mit den Forderungen und Einsichten der »Letzten Generation«: wo eine Lobby stark ist, nämlich die der Autobauer, hört die politische Forderung nach Energie- und Emissionseinschränkung auf, da fordert man doch lieber vom braven Häuslebauer das eigentlich Unmögliche. Aber die von der Politik aufgestellte Maximalforderung der Energieeffizienz ist nicht leistbar, weil nicht aus der Privatschatulle bezahlbar, würde pro Kopf, so hat er errechnet, 22.000 Euro kosten. Mit einem kleinen Unterschied, der die soziale Ungleichheit wiederspiegelt: Wer reich ist, verbraucht auch mehr Energie, er kanns nämlich bezahlen. Gespart ist damit: nichts.
Nun ist das DAM nicht dafür bekannt, bei solchen Herausforderungen den Kopf in den Sand zu stecken. Seit Jahren konfrontiert es das Publikum mit fundierten Ausstellungen zur ökologischen Themenvielfalt aus der Welt der Architektur, und in der jetzigen wendet es sich dem Energiesektor zu. Im Gegensatz zur erwähnten »Letzten Generation« will es aufzeigen, was alles geht, wenn genügend politischer Wille vorhanden ist. Es hat sich in Europa umgeschaut – ein leicht süffisanter Seitenhieb darf da schon sein – und wurde beim sozialen Wohnungsbau vor allem in Spanien fündig: zwei Beispiele aus Ibiza und Barcelona illustrieren dies. Vorbild in ganz vielen Bereichen ist Dänemark, erklärt Kuratorin Annette Becker.
23 Beispiele finden sich in der Schau versammelt. Dabei geht es auch stark um ländliche Projekte und um Fragen der Landschaftsgestaltung, denn erneuerbare Energien erzeugt man nicht in Großstädten, sondern auf dem flachen Land. Doch auch aus Deutschland gibt es richtungsweisende Vorhaben, beispielsweise beim Energieberg Georgswerder, einer ehemaligen Müllkippe im Süden Hamburgs mit ausgedehnten Photovoltaik- und Windenergieanlagen, um die ein didaktischer Spazierweg gelegt wurde. Sie versorgen etwa 4.000 Haushalte mit Strom.
Es gibt noch weitere Vorzeige-Leuchttürme in Deutschland: Eine kleine Gemeinde bei Chemnitz hat ein Kultur- und Informationszentrum vollflächig mit Dachsolarpaneelen ausgestattet und gewinnt Wärme durch einen angegliederten Bauernhof, der sie durch die Vergärung von Bioabfällen erzeugt. In Wildpoldsried ist laut Aussage der Bürgermeisterin Energie seit 1999 kein Thema mehr, da es auf erneuerbare Energien setzt, einen Windpark zur emissionsfreien Versorgung gebaut hat, Holz als ökologischen Baustoff einsetzt, die Wasservorkommen schützt. Oder die Kita in Memmingen, die um ihr Gebäude so etwas wie eine zweite Haut gelegt hat und damit einem Abriss entgegensteuert, der Emissionen verursachen würde.
Werner Sobek votiert nahezu leidenschaftlich für die Kreislaufwirtschaft beim Bauen, für das Recyclen von bereits verwendetem Baustoff, denn Bauschutt verursacht nicht nur 50 Prozent allen Mülls, er muss auch wegen aufgegebener Deponien in an andere Länder transportiert werden, was wiederum Emissionen erzeugt. Und Bauen ist sowieso Spitzenreiter beim Produzieren von Emissionen, nämlich rund 40 Prozent, wobei etwa zwei Drittel so genannte »graue« Emissionen sind, die bei der Herstellung von Baumaterial und den Transport (er nennt das Beispiel von Eisenerz aus Chile) anfallen. Politische Maximalforderungen aufgeben, sinnvoll energetisch korrigieren und auf alle Fälle damit aufhören, von einem Energieversorgungsproblem zu reden: Sonne, Luft, Wind, ist doch alles da!
Alles da auch im Themenkatalog: in dem Projekt der Universität der Künste Berlin »Technosphären«, machen sich Studenten Gedanken darüber, wie man mit den redundanten Energieinfrastrukturen umgeht, wie man die regional doch oft identitätsstiftenden Kohle- und Gaskraftwerke in eine neue Nutzung überführt, z.B. in eine Kulturlandschaft.
Klar, dass der Spaziergang durch die Ausstellungsinseln mit den Projektvorstellungen, die meist multimedial und sehr spannend präsentiert werden, ein didaktischer ist. Zum Berühren angeboten wird eine Sammlung von handelsüblichen Baustoffen, von Recycling-Teppichfliesen und der Holzfaser-Dämmplatte bis zum aus ökologischer Perspektive katastrophalen Ziegel. Da könnte man sich spielerisch schon mal mit eigenen Bau- oder Sanierungsvorstellungen auseinandersetzen. Für politische Entscheidungsträger auch geeignet …