Schauspiel Frankfurt Box: Lorenzaccio Le Fou

Schauspiel Frankfurt Box: Lorenzaccio Le FouTschiep Tschiep Tscharip

In Jean-Luc Godards Film »Pierrot Le Fou« schnallt sich Jean-Paul Belmondo am Ende eine Lage Dynamitstangen um den blau gemalten Schädel und zündet dann erfolgreich die Schnur. Nachdem er die Gesellschaft und ihre Konventionen hinter sich gelassen, verlässt er die ihn nicht verstehende Welt mit einem Knall. Der 1966 gedrehte Kultfilm der Revolte ist einer von freilich mehreren Schlüsseln für den Zugang zu einer ganz besonderen Produktion im Schauspiel Frankfurt. Sébastien Jacoby hat »Lorenzaccio Le Fou oder La Vie Un Film Noir« für die Spielstätte Box inszeniert, eine Pretziose im Programm.

Von Brutus bis Occupy, vom alten Rom bis in die Frankfurter City schlägt der weite Bogen eines kunterbunten theatralischen Kunstmosaiks, das auf dem Drama »Lorenzaccio« von Alfred de Musset basiert. Inspiriert hat de Musset 1835 eine Erzählung seiner Geliebten George Sand (»Une Conspiration en 1537«) über die Ermordung des florentinischen Duc Alessandro de Medici durch seinen Cousin.

Weit davon entfernt, ein revolutionäres Fanal zu setzen, spiegelt das in Frankreich noch heute populäre Drama den Fatalismus einer im repressiven Umfeld der politischen Restauration der Zeit resignierenden desillusionierten Jugend. Jacoby versucht den halbseidenen und sensiblen Höfling Lorenzaccio, der dem triebgesteuerten Regenten Mädels und Orgien organisiert, bevor er ihn messermeuchelt, als einen Geistesverwandten von »Pierrot« und seinen Nachfahren zu sehen: in einem multimedial mit Zitaten, Filmen, Musik und Dany Le Rouge üppig und vor allem bestens aufbereiteten Spiel.

Sandra Gerling gibt mit aufgemaltem Bart diese irrlichternde Figur, die sich im eingestreuten Film mit leuchtenden Augen in den Kulissen des Warentempels My Zeil verliert und wie ihr Vorbild in Florenz auf dem Römer lauthals die Tat ankündigt, ohne dass man sie ernst nimmt. Köstlich. Immerhin findet sie bei einigen Touristen Verständnis. »Okay, kill him!«. Ihr Opfer (Christoph Pütthoff) sitzt derweil nackt bis aufs Hemd in der Wanne, säuft, rülpst und pöbelt großmäulig, wenn nicht gegen Lorenzaccio, dann gegen den Gutmenschen Filippo Strozzi (Andreas Uhse), der Adorno, Sloterdijk und Hessel sowie Verse von Mussett zitiert. Fazit ist, dass es schon im alten Florenz nichts Richtiges im Falschen gab, aber beste Unterhaltung. Während Pierrot sich in die Luft sprengt, tut es Gerlings Held im Abgesang den Vögeln nach: Tschiep, tschiep, tscharip. Dringendst empfohlen.

Winnie Geipert
Termin:
9. Juni 17 Uhr (wird in die Spielzeit 13/14 übernommen)

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